Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergleichsmehrwert. Zeugnis
Leitsatz (amtlich)
1. Geht der Inhalt einer Regelung im Vergleich über einfache Abwicklungsmaßnahmen nicht hinaus, entsteht insoweit kein Vergleichsmehrwert.
2. Das kann auch für eine Vereinbarung über die Erstellung eines Zeugnisses gelten. Geht - auch bei verhaltensbedingten Kündigungen - die Regelung über die Verwendung des Begriffs "wohlwollend" nicht hinaus, wird insbesondere keine sonstiger Inhalt (z.B. eine gute Note) festgelegt, rechtfertigt ein solcher Vergleichsinhalt in der Regel nicht die Annahme eines Vergleichsmehrwerts.
3. Die Formulierung "wohlwollend" ist immer vor dem Hintergrund der konkreten Vorwürfe zu verstehen. Ein vollstreckbarer Zeugnisinhalt ergibt sich aus der Formulierung zudem nicht. Daher kann auch ein Titulierungsinteresse keinen Vergleichsmehrwert rechtfertigen (vgl. auch LAG Köln 22. Oktober 2007 - 2 Ta 279/07).
Leitsatz (redaktionell)
Der Wert eines Vergleiches bestimmt sich danach, worüber sich die Parteien geeinigt haben. Dazu können auch streitige Sachverhalte noch künftiger Verfahren gehören.
Normenkette
RVG § 33
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 5. März 2019 - 5 Ca 1019/18 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten begehren mit der Beschwerde Berücksichtigung eines Mehrwerts in Höhe von 2.368,40 Euro im Zusammenhang mit Vereinbarungen im Vergleich, nach denen das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abgerechnet werden sollte, Resturlaubstage abzugelten seien, der Beklagte der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis und eine Arbeitsbescheinigung erstellen sollte. Das Arbeitsgericht hatte zunächst hierfür 2.368,40 Euro in Ansatz gebracht. Der Klägerin war Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Der Bezirksrevisor hat vor diesem Hintergrund die Festsetzung des Gegenstandswerts für den "Mehrvergleich" mit einer sofortigen Beschwerde angegriffen. Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Gegenstandswerts für den Mehrvergleich lägen nicht vor. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde abgeholfen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit der vorliegenden Beschwerde. Der Gesetzgeber könne nicht beabsichtigt haben, bei gerichtlichen Einigungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für jeden weiteren Anspruch ein gesondertes Klageverfahren anzustreben. Es mache keinen Sinn, im Rahmen des Vergleichs nur die Kündigungsfrage zu regeln. Anzustreben sei eine vollständige Bereinigung. Das müsse sich auch bei den Streitwerten niederschlagen. Zur Vermeidung gesonderter Verfahren hätten die Parteien die kostengünstigste Variante gewählt. So seien auch im Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit die Arbeitspapiere, der Urlaubsanspruch und das Zeugnis erwähnt. Ungewiss sei, was den Parteien unklar sei. Unsicherheit reiche.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16. April 2019 nicht abgeholfen.
II.
Die am 25. März 2019 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangene Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 5. März 2019, zugestellt am 11. März 2019, ist zulässig, aber unbegründet.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts zuletzt zutreffend abgelehnt.
1) Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG). In den Wert eines Vergleichs sind daher die Werte aller rechtshängigen oder nichtrechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die mit dem Vergleich geregelt wurden. Demgegenüber ist die bloße Begründung einer Leistungspflicht in dem Vergleich für den Vergleichsmehrwert ohne Bedeutung; denn es kommt für die Wertfestsetzung darauf an, worüber - und nicht worauf - die Parteien sich geeinigt haben. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass durch den Vergleich ein Streit vermieden wurde. Ein Titulierungsinteresse kann nur dann berücksichtigt werden, wenn der geregelte Anspruch zwar unstreitig und gewiss, seine Durchsetzung aber ungewiss war (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 - 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 2).
Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist danach nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren. Zwar wird eine Einigung der Parteien häufig nur zu erreichen sein, wenn derartige Vereinbarungen getroffen werden; denn die Parteien sind nicht selten nur dann zum Abschluss eines Vergleichs bereit, wenn weitere Fragen gereg...