Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des drohenden unmittelbaren vermögensrechtlichen Schadens i.S. von § 384 Nr. 1 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Ein den Zeugen gem. § 384 Nr. 1 ZPO zur Zeugnisverweigerung berechtigender drohender unmittelbarer vermögensrechtlicher Schaden im Falle der Aussage liegt nicht vor, wenn der Zeuge beabsichtigt, selbst Ansprüche klageweise geltend zu machen und in diesem Verfahren als Partei zum wahrheitsgemäßen Vortrag über den Gegenstand der Aussage verpflichtet ist.
Normenkette
ZPO § 384 Nr. 1, § 387
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.12.2016; Aktenzeichen 41 Ca 11067/15) |
Nachgehend
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Dezember 2016 - 41 Ca 11067/15 - abgeändert.
Es besteht kein Zeugnisverweigerungsrecht des Zeugen Ho. gemäß § 384 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der Frage, ob er Herrn H. in das Mitgliederverzeichnis des Beklagten aufgenommen hat.
Die Rechtsbeschwerde wird für den drittbeteiligten Zeugen zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 384 Nr. 1 ZPO.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zum Beklagten. Der Beklagte begründet die Kündigung mit dem Vorwurf, die Klägerin habe am 21. April 2015 unzutreffend Herrn H. als Vereinsmitglied unter Angabe einer seit 2004 bestehenden Vereinsmitgliedschaft in das elektronische Mitgliederverzeichnis im PC aufgenommen und damit dessen Kandidatur als Vorstandsmitglied bei der Vorstandswahl am 22. April 2016 möglich gemacht. Von einer solchen Handlung der Klägerin sei auszugehen, weil die Änderung unter ihrem Benutzernamen vorgenommen worden sei. Für diesen Zugriff unter dem Benutzernamen sei neben dem Benutzernamen ein Passwort erforderlich. Zugang zum Büro zur fraglichen Zeit sei der Klägerin von dem Zeugen Ho. ermöglicht worden.
Das Arbeitsgericht hat am 19. Dezember 2016 über die Vorgänge zur Vorstandswahl und Mitgliedererfassung beim Beklagten Beweis erhoben und hierzu u.a. den Zeugen Ho. befragt. Der Zeuge erklärte in der Beweisaufnahme, er habe aufgrund des Trubels in seinem Arbeitszimmer am Vorabend der Vorstandswahl im Hinblick auf anstehende Arbeiten mit der Klägerin ein anderes Zimmer aufgesucht. Er habe sich die Passwörter der Mitarbeiter notiert, weil es häufiger vorgekommen sei, dass diese Passwörter vergessen hätten.
Auf die Frage, ob er Herrn H. in das Mitgliederverzeichnis aufgenommen habe, erklärte der Zeuge, er verweigere diesbezüglich die Aussage. Zur Begründung führte der Zeuge aus, er werde den Beklagten auf Honorar verklagen, das dieser ihm vorenthalte. Der Beklagte habe seinen Vertrag im Juli 2015 fristlos gekündigt. Falls diese Kündigung nur als ordentliche Kündigung wirksam sei, stehe ihm noch Geld zu.
Das Arbeitsgericht Berlin hat durch Zwischenurteil vom 19. Dezember 2016 festgestellt, der Zeuge sei wegen der Gefahr eines unmittelbaren Vermögensschadens im Sinne des § 384 Nr. 1 ZPO nicht verpflichtet, Zeugnis darüber zu geben, ob er Herrn H. in das Mitgliederverzeichnis aufgenommen habe und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Zeuge beabsichtige, den Beklagten auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung zu verklagen. Dieser Anspruch hänge von der Wirksamkeit der gegenüber dem Zeugen ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung ab. Würde der Zeuge sich selbst der Manipulation des Mitgliederverzeichnisses bezichtigen, dürfte hierin ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liegen. Da zwischen der Beklagten und dem Zeugen kein Arbeitsverhältnis bestanden habe, könnten die Unwirksamkeit der Kündigung bzw. hierauf beruhende Zahlungsansprüche trotz des Zeitablaufs noch geltend gemacht werden.
Gegen dieses ihm am 30. Dezember 2016 zugestellte Zwischenurteil hat der Beklagte am 10. Januar 2017 sofortige Beschwerde eingelegt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts gehe es um keinen drohenden unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden im Sinne des § 384 Nr. 1 ZPO. Ein solcher drohe, wenn aufgrund der Aussage ein gegen den Zeugen gerichteter Anspruch durchgesetzt werden könne. Dagegen gehe es im vorliegenden Fall nicht um gegen den Zeugen gerichtete Ansprüche, sondern um die Möglichkeit, einen nicht bestehenden Anspruch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vor Gericht geltend zu machen. Hier sehe sich der Zeuge keiner Verfolgung Dritter ausgesetzt, ihm werde lediglich die Möglichkeit genommen, einen Rechtsstreit zu führen, den er bei wahrheitsgemäßem Vortrag ohnehin verlieren würde. Dass der Zeuge seit einem Jahr keine Klage erhoben habe, spreche im Übrigen gegen eine solche Absicht. Zudem bestehe unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung kein Anspruch des Zeugen auf weitere Vergütung, da lediglich eine Aufwandsentschädigung wirksam vereinbart sei.
Die Klägerin wendet in Verteidigung der erstinstanzlichen Entscheidung ein...