Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtverhandeln beider im Termin erschienener Parteien

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß §§ 54 Abs. 3 ArbGG, 160 ZPO ist in dem über die Güteverhandlung zu erstellenden Protokoll als wesentlicher Vorgang der Verhandlung jede Erklärung der Partei zu protokollieren, die eine prozessuale Bedeutung hat, insbesondere, soweit sie zur Nachprüfbarkeit des Verfahrenshergangs vom Rechtsmittelgericht benötigt wird.

Im Hinblick auf die weitreichenden Konsequenzen, die ein Nichtverhandeln der Parteien gemäß § 54 Abs. 5 ArbGG im arbeitsgerichtlichen Güteverfahren hat, sind die Umstände, aus denen sich das Nichtverhandeln ergeben soll, als wesentlicher Vorgang der Verhandlung im Sinne des § 160 Abs. 2 ZPO und damit als Förmlichkeit im Sinne von § 165 ZPO in der Sitzungsniederschrift festzuhalten.

2. Im arbeitsgerichtlichen Gütetermin kann das „Nichtverhandeln” nicht aus einem Verzicht auf das Stellen von Anträgen gefolgert werden, weil dort Anträge im Sinne von § 137 ZPO nicht wirksam gestellt werden können. Hält das Arbeitsgericht im Güteprotokoll nach dem Hinweis einer Partei auf Parallelverfahren lediglich fest, dass die Parteien „heute keine Anträge” stellen, so findet ein daraufhin verkündeter Beschluss, wonach das Verfahren ruht, seine Rechtsgrundlage nicht in § 54 Abs. 4 ArbGG.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich auch aus den Gründen des Beschlusses nicht zweifelsfrei ergibt, dass sich beide Parteien einer Einlassung zur Sache verweigert haben.

 

Normenkette

ArbGG § 54 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Beschluss vom 06.05.2008; Aktenzeichen 5 Ca 197/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 6. Mai 2008 aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten im Rahmen des Beschwerdeverfahrens um die Frage, ob die Klage gemäß § 54 Abs. 5 ArbGG als zurückgenommen gilt.

Die Klägerin hat mit ihrer am 11. Juni 2007 beim Arbeitsgericht Potsdam eingereichten Klage Zahlung einer Besitzstandszulage nach den Vorschriften des TVÜ-VKA geltend gemacht. Zu dem am 13. Juli 2007 anberaumten Gütetermin sind beide Parteien, vertreten durch ihre jeweiligen Prozessbevollmächtigten erschienen. Das Protokoll der Gütesitzung hat folgenden Wortlaut:

„Die Beklagtenseite erklärt, dass bundesweit Rechtsstreitigkeiten anhängig seien unter anderem eine Entscheidung des LAG Berlin Aktenzeichen: 5 Sa 973/06. Die Nichtzulassungsbeschwerde hierzu wird beim BAG unter dem Aktenzeichen: 6 AZN 216/07 geführt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Darüber hinaus weist die Beklagtenseite darauf hin, dass wohl zwei Verfahren beim LAG Berlin-Brandenburg anhängig seien. Dies könnten sein die Entscheidungen des ArbG Cottbus Aktenzeichen: 4 Ca 481/06 und eine weitere Entscheidung – Aktenzeichen unbekannt.

Die Parteien stellen heute keine Anträge.

Beschlossen und verkündet: Das Verfahren ruht.”

Mit beim Arbeitsgericht Potsdam am 25. Januar 2008 eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten darauf hingewiesen, dass die Klage nach § 54 Abs. 5 ArbGG als zurückgenommen gelte und „Antrag gemäß § 269 Abs. 4 ZPO” gestellt. Die Beklagte hat vorgetragen, eine Einigung dahingehend, dass eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts habe abgewartet werden sollen, sei nicht erzielt worden, mit einem solchen Abwarten wäre die Beklagte nie einverstanden gewesen. Anders sei auch das Protokoll nicht erklärbar, ausweislich seines klaren Wortlauts, wonach die Parteien keine Anträge gestellt haben, liege ein Regelfall des § 54 Abs. 5 ArbGG vor.

Die Klägerin hat eingewandt, es habe sich um einen gerichtlichen Prozessvertrag gehandelt, die Parteien hätten aus sachlichen Gründen eine höchstrichterliche Entscheidung abwarten wollen. Das Gericht habe das Ruhen des Verfahrens nach § 251 ZPO angeordnet.

Mit Beschluss vom 6. Mai 2008 hat das Arbeitsgericht Potsdam festgestellt, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist und der Klägerin die Kosten des Rechtstreits auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, als Nichtverhandeln im Sinne von § 54 Abs. 5 ArbGG sei es auch anzusehen, wenn beide Parteien darum bitten würden, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, denn daraus werde deutlich, dass sie nicht ausreichend verhandeln wollten. Der Gütetermin habe nämlich seiner Bestimmung gemäß den Streitstoff mit den Parteien zu erörtern und eine gütliche Beilegung zu versuchen. Nach den Erklärungen der Parteien am 13. Juli 2007 sei davon auszugehen, dass aufgrund der Anordnung des Ruhens des Verfahrens die Klagerücknahmefiktion eingetreten sei. Die Parteien hätten eine Erörterung der Sach- und Rechtslage nicht gewünscht, sondern ausschließlich auf ein anhängiges Verfahren beim Bundesarbeitsgericht verwiesen. Inhaltliche Erklärungen seien von ihnen weder zum Sach- und Streitstand noch zu einer Vereinbarung zum Ausschluss des Ruhens des Verfahrens abgegeben worden.

Gegen diesen, ihrem Prozessbevollmächtigten am 15. Mai 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29. Mai 2008 be...

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