Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch des Betriebsrats auf Kostenvorschuss. Überlassungsanspruch des Betriebsrats in Bezug auf Kommunikationsmittel. Ermessen des Betriebsrats bei Wahl der Kommunikationsmittel. Anspruch auf Überlassung der Mittel für Videokonferenzen. Eilbedürftigkeit bei Überlassungsanspruch des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Bei Anwendung der §§ 129 Abs. 1, 40 Abs. 2 BetrVG kann ein 11-köpfige Betriebsrat verlangen, dass ihm die beantragten Informations- und Kommunikationsmittel (2 Lizenzen durch Durchführung von Videokonferenzen, 2 Headsets, 2 Webcams, 11 Smartphones) zur Verfügung gestellt werden.
Normenkette
BetrVG § 129 Abs. 1, § 40 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940; ArbSchG § 4 Nr. 6
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 02.03.2021; Aktenzeichen 8 BVGa 2158/21) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers und unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 02.03.2021 - 8 BVGa 2158/21 - teilweise abgeändert:
I. Den Beteiligten zu 2) und 3) wird aufgegeben, dem Antragsteller folgende Materialien zur eigenen Verwendung zur Verfügung zu stellen:
- 2 Lizenzen für MS-Teams mindestens in der Version Office 365 Business Standard, oder einer vergleichbaren Videokonferenzplattform,
- 2 Headsets mit mindestens einem Frequenzbereich von 20 bis 17.000 Hertz und USB-Anschluss,
- 2 Webcams mit einer Videoauflösung von mindestens 1280 x 720 Pixel und USB-Anschluss,
- 11 Smartphones, welche mindestens folgende Anforderungen erfüllen: Internetfähig, mindestens 6,5 Zoll Display, Frontkamera mit einer Mindestauflösung von 13 MP, inklusive Zugang zum Internet mit mindestens High Speed Zugang, mit einer Datenübertragungsrate im Download von nicht unter 20 Mbit/s und im Upload von nicht unter 8 Mbit/s und einem monatlich verfügbaren Datenvolumen von nicht unter 3 GB.
II. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob der Betriebsrat einen Kostenvorschuss, hilfsweise bestimmte Sachmittel zu erhalten hat, um Betriebsratssitzungen im Wege von Videokonferenzen durchführen zu können.
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind Arbeitgeberinnen und betreiben einen gemeinsamen Betrieb, bei dem ein elfköpfiger Betriebsrat gebildet ist. Der Betrieb führt Dienstleistungen aus dem Bereich des technischen Facility-Managements, der Hotelreinigung, der Unterhaltsreinigung, der Grünflächenpflege und weitere Dienstleistungen aus. Derzeit werden ca. 610 Arbeitnehmer am Betriebssitz in Berlin beschäftigt. Der Betriebsrat ist Antragsteller im hiesigen Verfahren.
Der Betriebsrat tagt regelmäßig alle 2 Wochen. Für seine Sitzungen wird temporär bei einem Dritten ein Konferenzraum angemietet. Bei Einhaltung der Abstandsregeln während der Pandemie können dort nur maximal 9 Personen zusammenkommen. Im Betriebsrat sind auch Personen Mitglieder, bei denen ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe bei einer Infektion mit Covid-19 besteht. Bisher kann nur der Niederlassungsleiter über seinen Laptop zu Videokonferenzen einladen.
In der Betriebsratssitzung vom 12.02.2021 (Anl. A9 bis A11) hat der Betriebsrat beschlossen, das hiesige einstweilige Verfügungsverfahren einzuleiten. Am 12.03.2021 hat der Betriebsrat erneut beschlossen, die Einleitung des hiesigen Verfahren zu genehmigen und gegen eine ablehnende Gerichtsentscheidung Rechtsmittel einzulegen (Anl. B1 - B3).
Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, er könne die entsprechenden Mittel gemäß § 129 BetrVG verlangen. Dies gelte auch unabhängig von einer Pandemiesituation, da die Betriebsräte jeweils weit voneinander entfernt tätig seien. Angesichts eines Konzernumsatzes im Jahre 2016 i.H.v. 503 Mio. EUR seien die aufzuwendenden Beträge für die Arbeitgeberin ohne Probleme verkraftbar.
Mit Beschluss vom 02.03.2021 hat das Arbeitsgericht Berlin die Anträge, die unverändert auch zweitinstanzlich gestellt wurden, zurückgewiesen. Es fehle an einem Verfügungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung, da diese die Hauptsache praktisch vollständig vorwegnähme. Dies wäre nur in absoluten Ausnahmesituationen möglich, die hier nicht vorlägen. Da der Betriebsrat seine Sitzungen bislang als Präsenzsitzungen durchgeführt habe, seien keine Umstände ersichtlich, warum nunmehr nach 11 Monaten des Andauerns der Corona-Pandemie eine sofortige Ausstattung des Betriebsrats mit den entsprechenden Mitteln erforderlich sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Betriebsrats. Er hält die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts für fehlerhaft. Dem liege die Vorstellung zugrunde, dass Ansprüche im Rahmen einer einstweiligen Verfügung allenfalls unmittelbar nach Inkraftsetzen des § 129 BetrVG hätten mit Erfolg geltend gemacht werden können. Die Bewertung einer Gefährdungssituation sei jedoch jederzeit möglich. Nach der am 27.01.2021 in Kraft getretenen Corona-Arbeitsschutzverordnung sei ein Arbeitgeber nunmehr verpflichtet, Tätigkeiten im Home-Office anzubieten. Diese Sicht...