Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschied zwischen Antragsverfahren nach § 33 RVG und Festsetzungsverfahren nach § 32 RVG. Entfallen von Gebühren bei Abschluss eines Vergleichs. Fälligkeit der Gebühren als Voraussetzung für Wertfestsetzung. Bedeutung des Gesamtgegenstandswertes im Beschwerdeverfahren. Behandlung einzelner Anträge bei Bildung des Gesamtgegenstandswertes
Leitsatz (amtlich)
1. Während das GKG vom "Wert des Streitgegenstands" (Streitwert) spricht (§ 3 Abs. 1 GKG), ist im RVG von dem Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert), die Rede (§ 2 Abs. 1 RVG) (vgl. zur Abgrenzung TZA/Ziemann Teil 1 A 4; zu den unterschiedlichen Verfahren eingehend: Ziemann, jurisPR-ArbR 21/2021 Anm. 8).
2. Das Verfahren nach § 33 RVG ist im Gegensatz zum Festsetzungsverfahren nach § 63 GKG iVm § 32 RVG, in dem die Festsetzung auch von Amts wegen erfolgen und geändert werden kann, ein Antragsverfahren.
3. Eine Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren setzt nach § 33 Abs. 2 Satz 1 RVG die Fälligkeit der Gebühren voraus. Ist ein Verfahren mangels einer noch erforderlichen Entscheidung über die Kosten noch nicht beendet, liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 RVG uU noch nicht vor.
4. Die Bewertung einzelner Anträge bildet lediglich Verrechnungsposten. Sie sind nur Begründungselemente für die Bildung eines Gesamtgegenstandswerts, der allein über die Höhe der Gebühren entscheidet (vgl. LAG Düsseldorf 25. November 2016 - 4 Ta 634/16, Rn. 13). Gegenstand der Festsetzung und damit des Beschwerdeverfahrens nach § 33 Abs. 3 RVG ist nicht die Bewertung eines bestimmten Streitgegenstands, sondern die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 20. August 2018 - 26 Ta (Kost) 6070/18, zu II 3 a der Gründe; LAG Rheinland-Pfalz 6. Juni 2007 - 1 Ta 105/07, Rn. 45).
5. Auch hinsichtlich der Anträge in dem Beschwerdeverfahren tritt eine Bindung nur in Bezug auf den begehrten Gesamtgegenstandswert ein, nicht auch in Bezug auf seine Zusammensetzung aus Einzelpositionen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 5. Juni 2019 - 26 Ta (Kost) 6050/19, zu II 2 c der Gründe; LAG Düsseldorf 25. November 2016 - 4 Ta 634/16, Rn. 13; 16. Juli 2019 - 26 Ta (Kost) 6040/19, Rn. 32).
6. Nach der Vorbemerkung 8 zu Teil 8 KV GKG können die Gebühren zwar entfallen, wenn das Verfahren durch Vergleich beendet wird. Das gilt - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen (vgl. dazu LAG Berlin-Brandenburg 11. Februar 2022 - 26 Ta (Kost) 6230/21, Rn. 14) - dann nicht, wenn der Vergleich nur einen Teil des Streitgegenstands betrifft.
Normenkette
RVG §§ 33, 32, 8; GKG §§ 63, 39; RVG § 33 Abs. 9, § 63 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 12.05.2022; Aktenzeichen 55 Ca 16020/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägervertreter wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Mai 2022 - 55 Ca 16020/14 - aufgehoben und die Kostensache an das Arbeitsgericht Berlin zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Parteien haben erst- und zweitinstanzlich über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. In erster Linie strebte der Kläger insoweit die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 1) wegen angeblicher unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung an und dass die auf dem Briefkopf der Beklagte zu 2) erklärte Kündigung dieses Arbeitsverhältnis nicht beendet habe. Jedenfalls solle ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2) durch die Kündigung nicht beendet worden sein. Darüber hinaus hat der Kläger angebliche Vergütungsdifferenzen aus der Vergangenheit geltend gemacht und insoweit die Klage während des Prozesses regelmäßig erweitert. Außerdem hat er ua anteilige Beiträge für eine Altersversorgung für die der Zeit vor und nach Klageerhebung beansprucht und eine Bonusforderung für das Jahr 2010. Zudem hat er Zinsen wegen verspäteter Zahlungen begehrt und Auskunft über Betriebsrentenansprüche. Mit seinem Antrag zu 8) hat er der Kläger beantragt festzustellen, dass seine Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten zu 1) in der Zeit vom 2. November 1982 bis zum 29. Februar 1992 auf die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten zu 1) anzurechnen sei. Mit dem Antrag zu 9) hat er beantragt festzustellen, dass die Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten zu 1) in der Zeit vom 2. November 1982 bis zum 29. Februar 1992 auf die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten zu 2) anzurechnen sei. Mit den angeblich zu Unrecht außer Acht gebliebenen Zeiten hat der Kläger zunächst die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl gerügt. Außerdem hingen - so der Kläger - von der Betriebszugehörigkeit Ansprüche aus dem Sozialplan und Sondergratifikationen ab. Mit einem Antrag zu 12, später zu 15), hat der Kläger Abrechnungen geltend gemacht und mit einem Antrag zu 16) Auskunft in Bezug auf seine Betriebsrentenansprüche.
Das Arbeitsgericht hat über die Bestandsschutzanträge durch Teilurteil entschieden und die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen sowie der Klage hinsichtlich der Beklagten ...