Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzungsverfahren bei verweigerter Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung wegen einseitiger Änderung der Vergütungsordnung aufgrund der Streichung nicht eingruppierungsrelevanter Leistungen
Leitsatz (amtlich)
Legt der Arbeitgeber bei der Eingruppierung eines neu eingestellten Arbeitnehmers ein System zugrunde, bei dem der Betriebsrat nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beteiligt worden ist, liegt ein Gesetzesverstoß und somit ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. Nr. 1 BetrVG vor.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 28.03.2007; Aktenzeichen 29 BV 23626/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen denBeschluss des ArbeitsgerichtsBerlin vom 28.03.2007 – 29 BV 23626/06 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten (nach teilweiser Einstellung des Verfahrens) über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung mehrerer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1) (künftig: Arbeitgeberin) betreibt unter anderem das Kino in der K. in Berlin, in welchem der Beschwerdeführer und Beteiligter zu 2) (künftig: Betriebsrat) gewählt worden ist. Im Unternehmen der Arbeitgeberin sind regelmäßig mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt.
Die nicht tarifgebundene Arbeitgeberin hatte das Kino im April 2003 vom im Insolvenzverfahren über das Vermögen der U. Theater GmbH & Co. KG eingesetzten Insolvenzverwalter übernommen. Die vormalige Betreiberin des Kinos war als Arbeitgeberin tarifgebunden, so dass zum Zeitpunkt der Betriebsübernahme für die Arbeitsverhältnisse mit den gewerkschaftszugehörigen Arbeitnehmern die Tarifverträge „Filmtheater” galten und auch sonst auf die Arbeitsverhältnisse angewandt wurden. Hierzu gehören insbesondere die zwischen dem Arbeitgeberverband Dienstleistungsunternehmen e.V. (ar.di) einerseits und der Industriegewerkschaft Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst (IG Medien) sowie der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) – beide nunmehr aufgegangen in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di – andererseits geschlossene Manteltarifvertrag vom 12. Dezember 2002 (künftig: MTV Film; wegen des Wortlauts wird auf Bl. 27 bis 34 d.A. verwiesen), der Entgeltrahmentarifvertrag vom 12. Dezember 2002 (künftig: ERTV Film) und der mit Wirkung zum 1. Januar 2003 in Kraft getretene Entgelttarifvertrag vom 9. Dezember 2002 (künftig: ETV Film). Die manteltarifvertraglichen Regelungen sehen u.a. Entgeltzuschläge für Feiertags-, Nacht- und Mehrarbeit (§ 8 MTV Film) sowie die Zahlung einer Jahressonderleistung (§ 15 MTV Film) und einer monatlichen Pauschale für die Reinigung der Arbeitskleidung (§ 16 MTV Film) vor. Der Entgeltrahmentarifvertrag enthält unter § 2 (Allgemeine Grundsätze für die Gewährung des Entgelts) u.a. die Regelung, dass „der Mitarbeiter … das Entgelt” erhält, das „sich aus der Entgelttabelle des Entgelttarifvertrags in der Tätigkeitsgruppe ergibt, in die er eingruppiert ist.” Die Entgelttabelle (Anlage I zu § 2 ETV Film) enthält zum jeweils der Höhe nach festgelegten Bruttomonats- und Bruttostundenverdienst bestimmte Stufen (A, B und C), welchen näher bezeichnete Tätigkeiten/Berufsgruppen, differenzierend nach den Berufsjahren (z.B. „Servicekraft bis zu zwei Berufsjahre” und „Servicekraft ab zwei Berufsjahren”) zugeordnet sind.
Die Arbeitgeberin zahlt den vor der Betriebsübernahme bereits beschäftigten Arbeitnehmern die manteltarifvertraglich geregelten Leistungen (Jahressonderleistung, Zuschläge, Reinigungspauschale) fort. Die nach der Übernahme des Betriebs eingestellten Beschäftigten erhalten keine Reinigungspauschale mehr, wobei sich die Arbeitgeberin diesbezüglich auch darauf beruft, dass sie das Tragen einer bestimmten Dienstkleidung nicht vorschreibe. Feiertags- und Nachtzuschläge werden den neu eingestellten Arbeitnehmern in Anlehnung an § 8 MTV Film – nach letzter Darstellung des Betriebsrats „nunmehr” – gezahlt; Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld) gewährt die Arbeitgeberin den „Neueingestellten” als freiwillige Leistungen aufgrund individueller Regelungen. Die seit dem 1. Januar 2003 geltende Entgelttabelle (Anlage I zum ETV Film) wandte die Arbeitgeberin zunächst auch bei den nach dem Betriebsübergang eingestellten Arbeitnehmern weiter an.
Im Zusammenhang mit der Entscheidung der Arbeitgeberin, ab dem 1. Dezember 2004 neu eingestellten Mitarbeitern eine geringere Vergütung und keine Nachtzuschläge mehr zu zahlen, machte der Betriebsrat die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts bei der Einführung einer neuen Vergütungsordnung im Betrieb geltend. Die Beteiligten stritten hierüber in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Während dieses Verfahrens erklärte die Arbeitgeberin, sie werde die bis zum 30. November 2004 geltende Vergütungsordnung weiterhin anwenden, alle...