Entscheidungsstichwort (Thema)

Überstunden. Darlegungs- und Beweislast. Versagung der Prozesskostenhilfe bei unzureichenden Darlegungen des Arbeitnehmers zur Erbringung von Überstunden. unzureichender Sachvortrag in erläuterungsbedürftigen Anlagen zum Klageentwurf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Überstundenprozess genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substanziiert erwidern (1. Prüfungsschritt).

2. Ist streitig, ob der Arbeitnehmer Überstunden geleistet hat, muss der Arbeitnehmer nach der neueren Rechtsprechung des BAG nicht mehr von vornherein darlegen, welche geschuldete Tätigkeit er während der Mehrarbeit verrichtet hat.

3. Die Anwesenheit eines Arbeitnehmers im Betrieb an seinem Arbeitsplatz begründet eine Vermutung dafür, dass die Überstunden zur Erledigung der Arbeit jeweils notwendig waren. Hierauf hat der Arbeitgeber substanziiert für jeden einzelnen Tag zu erwidern (2. Prüfungsschritt).

4. Die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer hat nicht in Anlagen, sondern im Schriftsatz selbst zu erfolgen. Dies gilt jedenfalls bei Anlagen, die nicht aus sich heraus verständlich sind.

 

Normenkette

BGB § 612 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 3 S. 2; ZPO §§ 114, 130 Nrn. 3-4, § 114 S. 1; BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 09.08.2012; Aktenzeichen 42 Ha 10415/12)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 09.08.2012 - 42 Ha 10415/12 - wird zurückgewiesen

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für einen Klageentwurf vom 5. Juni 2012. Insofern soll der Antragsgegner verurteilt werden, an ihn 13.721,10 € nebst Zinsen zu zahlen.

Zur Begründung führt der Antragsteller aus, er habe in den Jahren 2009 bis 2011 insgesamt 1.854,5 Überstunden geleistet. Bei einem Stundenlohn von 6,31 € stünden ihm 11.701,90 € brutto zu. Für die Jahre 2009 und 2010 könne er ferner Urlaubsabgeltung in Höhe von jeweils 1.009,60 € brutto verlangen.

Der Antragsteller war jeweils befristet für einzelne Teile des Jahres 2009, 2010 und 2011 bei dem Antragsgegner als Schaustellergehilfe tätig. Die Parteien hatten sich auf eine vierzigstündige Arbeitswoche bei einem Bruttogehalt von 700,-- € sowie einem sonstigen Sachbezug für kostenfreie Wohnung und Verpflegung in Höhe von 309,70 € geeinigt. Der Anstellungsvertrag vom 15. Mai 2011 war nur vom Antragsgegner unterzeichnet worden. Dieser sieht in § 11 eine Verfallklausel vor.

Der Antragsgegner hat behauptet, der Antragsteller habe seinen Urlaub in 2009 und 2010 regulär erhalten. Überstunden seien nie schriftlich angeordnet worden. Der Antragsteller habe Zeiten als Arbeitszeiten aufgelistet, in denen er Pause machen sollte oder in denen er von Platz zu Platz gefahren wurde. Wenn man ihn angewiesen habe, seine Arbeit zu beenden, habe er regelmäßig geantwortet: "Was soll ich im Wohnwagen, da habe ich nichts zu tun. Ich bleibe lieber hier." Sofern es an einzelnen Tagen Überstunden (Auf- und Abbautage) gegeben habe, so seien diese vorher oder an den Folgetagen durch Freizeit ausgeglichen worden.

Mit Beschluss vom 9. August 2012 hat das Arbeitsgericht Berlin den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Es hat dies u. a. damit begründet, dass die beabsichtigte Klage nicht schlüssig sei. Es fehle an Darlegungen, wann der Antragsteller regulär zu arbeiten gehabt hätte und wer von ihm wann welche Arbeiten für welche Tage und innerhalb welcher Zeitspanne verlangt habe. Auch trage er nicht vor, welche Arbeiten er diesbezüglich konkret zu erledigen gehabt hätte. Im Übrigen seien die Ansprüche gem. § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 15. Mai 2011 verfallen.

Dieser Beschluss ist dem Antragsteller am 16. August 2012 zugestellt worden. Am 13. September 2012 ging die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde beim Arbeitsgericht Berlin ein. Der Antragsteller ist insofern der Ansicht, dass § 11 des Arbeitsvertrages schon deswegen nicht wirksam geworden sei, weil er den Vertrag zu keinem Zeitpunkt unterzeichnet habe. Auch in den davor liegenden Jahren seien zwischen den Parteien keine schriftlichen Arbeitsverträge ausgefertigt worden.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die form- und fristgerecht eingereichte sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin dem Antragsteller für seinen Klageentwurf keine Prozesskostenhilfe bewilligt.

1. Mit der Begründung des Arbeitsgerichts kann die mangelnde Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage jedoch nicht begründet werden.

1.1 Das Arbeitsgericht rügt insofern, der Antragsteller habe nicht vorgetragen, welche Arbeiten er bzgl. der Überstunden konkret zu erledigen gehabt habe. Insofern verkennt das Arbeitsgericht die neuere Rechtsprechung des BAG zur abgestuften Darle...

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