Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle zum BEM. Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Zusammenhang mit dem BEM. Ermessenskontrolle
Leitsatz (redaktionell)
Die Einigungsstelle ist für den Regelungsbereich „betriebliches Eingliederungsmanagement” zuständig. Es besteht nämlich ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht, weil der Regelungsgegenstand des betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX von dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfasst wird.
Normenkette
BetrVG §§ 76, 87 Abs. 1 Nrn. 1, 7; SGB IX § 84 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 15.04.2010; Aktenzeichen 42 BV 17459/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. April 2010 – 42 BV 17459/09 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruches über ein betriebliches Eingliederungsmanagement.
Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2.) beschäftigt sich bundesweit mit Geld- und Werttransporten. Der Beteiligte zu 1.) ist der für den Berliner Betrieb der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat.
Die Betriebsparteien einigten sie sich auf die Einrichtung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „betriebliches Eingliederungsmanagement”, ohne sich vorab einem Spruch der Einigungsstelle zu unterwerfen.
In der Einigungsstelle fand ein Vorschlag des Vorsitzenden nicht die uneingeschränkte Zustimmung des Betriebsrates, der einen Änderungsvorschlag dazu vorlegte. Dieser sah u. a. in § 3 Abs. 2 Satz 3 dieses Entwurfs vor, dass ein konkretes Vorgehen zur Analyse der Arbeitsfähigkeit durch ein Arbeitsfähigkeits-Coaching in einer gesonderten Anlage zu der zu schließenden Betriebsvereinbarung geregelt werden sollte. Danach sollten alle Mitarbeiter/innen zweimal jährlich einen Check-up von ca. 60 Minuten Dauer bei einem Arbeitwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Arbeitsmedizin oder Arbeitspsychologie durchlaufen und nach dem sog. Work-Ability-Index (WAI) klassifiziert werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage (Bl. 27 d. A.) Bezug genommen.
Die Betriebsparteien konnten sich in der o. g. Einigungsstelle nicht einigen. Die Änderungsvorschläge des Betriebsrates waren nicht mehrheitsfähig. Daraufhin entschied die Einigungsstelle am 20. August 2009 durch Spruch und beschloss mit den Arbeitgeberstimmen eine Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (Bl. 33 – 36 d. A.). Der Spruch hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„Präambel
Diese Vereinbarung regelt die Vorgehensweise bei der Umsetzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) gemäß den Vorschriften des § 84 Abs. 2 SGB IX.
(…)
§ 2 Ziele und Abgrenzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)
(1) Mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement wird das Ziel verfolgt, dass
- • chronische Krankheiten und Behinderungen bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern möglichst vermieden werden;
- • Arbeitunfähigkeit, auch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V, überwunden bzw. erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt wird;
- • der Arbeitsplatz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen sind, möglichst erhalten bliebt und verhindert wird, dass sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden.
(2) Formalisierte Krankenrückkehrgespräche neben dem BEM finden nicht statt.
§ 3 Information der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
(1) Ist eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten länger als 6 Wochen arbeitsunfähig, so erhält diese Person zeitnah durch den Arbeitgeber zunächst eine erste Information über das BEM sowie über Art und Umfang der erhobenen Daten. Dabei ist das in der Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung geregelte Schreiben zu verwenden und eine Kopie dieser Betriebsvereinbarung beizufügen.
(2) Dazu wertet der Arbeitgeber jeweils zum ersten 15. eines Vierteljahres routinemäßig die ihm bekannten Daten zu den Arbeitsunfähigkeitszeiten pro Mitarbeiter aus.
(3) Zeigt die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer Bereitschaft am BEM mitzuwirken, so wird gemäß der jeweiligen Antwort der/des Betroffenen ein Erstgespräch vereinbart.
(4) Sofern die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer an einem BEM nicht teilnehmen möchte, darf dieses nicht zu deren/dessen Lasten gewertet werden. Insbesondere ist es unzulässig, daraus arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen.
(5) Hat die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer nicht innerhalb von 2 Wochen nach Absendung des Schreibens geantwortet, erfolgt eine Erinnerung gemäß Anlage 2 unter nochmaliger Beifügung des Anschreibens und dieser Betriebsvereinbarung.
§ 4 Erstgespräch
(1) Wenn vom Mitarbeiter nicht a...