Entscheidungsstichwort (Thema)
Unverhältnismäßige Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen unterlassener Mitteilung einer Einkommensverbesserung
Leitsatz (amtlich)
Die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe wegen unterlassener Mitteilung einer Einkommensverbesserung stellt eine unverhältnismäßige Sanktion dar, wenn eine rechtzeitige Mitteilung nicht zu einer Änderung der Entscheidung über zu leistende Zahlungen geführt hätte.
Normenkette
ZPO §§ 124, 120a Abs. 2 Sätze 1-3
Verfahrensgang
ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 24.07.2015; Aktenzeichen 2 Ca 180/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 24.07.2015 - 2 Ca 180/14 - aufgehoben.
Gründe
Die Beschwerde ist begründet.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe war im vorliegenden Fall nicht aufzuheben, was zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt.
1. Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe u.a. aufheben, wenn die Partei entgegen § 120a Abs. 2 Satz 1 bis 3 ZPO dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat, § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung ist in das gebundene Ermessen des Gerichts gestellt, d.h., bei einer absichtlichen oder grob nachlässigen Verletzung der Mitteilungspflicht kann nur in atypischen Fällen von einer Aufhebung abgesehen werden (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.07.2015 - 21 Ta 975/15 - juris; Beschluss vom 05.01.2016 - 6 Ta 2302/15 - juris; Maul-Sartori, jurisPR-ArbR 38/2015 Anm. 6, jeweils m.w.N.).
2. Es ist bereits fraglich, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe vorlagen. Zwar hatten sich die Einkommensverhältnisses der Klägerin im Sinne des § 120a Abs. 2 Satz 2 ZPO seit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe wesentlich verbessert; denn die Klägerin erhielt monatlich nicht mehr nur ein Arbeitslosengeld in Höhe von 534,60 EUR, sondern seit dem 01.07.2014 ein monatliches Nettoeinkommen von durchschnittlich 1.342,54 EUR. Die Klägerin hat diese Einkommensverbesserung dem Gericht auch nicht mitgeteilt und damit ihre gesetzlichen Mitwirkungspflichten verletzt. Für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe muss jedoch hinzukommen, dass die Mitteilung absichtlich oder wenigstens grob nachlässig unterblieb, wobei aus der Verletzung der Mitteilungspflicht nicht ohne weiteres auf ein derartiges Verschulden geschlossen werden kann. Da § 124 ZPO Sanktionscharakter hat, muss der Partei vielmehr ein absichtliches oder grob nachlässiges Verhalten nachgewiesen werden, wobei die zuvor erteilten Hinweise auf eine Mitteilungspflicht für sich genommen nicht genügen (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.06.2015 - 4 Ta 8/15 - NZA-RR 2015, 438; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.01.2016, aaO.). Aus welchen Gründen eine Mitteilung der Klägerin unterblieb, steht bislang nicht fest. Es ist jedoch insoweit zu berücksichtigen, dass der Klägerin ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden war und sie deshalb nicht aufgrund monatlich zu leistender Raten regelmäßig an das Prozesskostenhilfeverfahren erinnert wurde; auch war der Rechtsstreit bereits im April 2014 und damit ca. zweieinhalb Monate vor Beginn des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin ihre Mitteilungspflicht zwar fahrlässig, aber nicht absichtlich oder wenigstens grob nachlässig verletzte.
3. Im vorliegenden Fall war von einer Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe jedenfalls deshalb abzusehen, weil eine rechtzeitige Mitteilung der eingetretenen Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zu einer Änderung der Bewilligungsentscheidung geführt hätte. Es handelt sich damit um einen atypischen Fall, in dem es trotz einer - einmal angenommen - wenigstens grob nachlässigen Verletzung der Mitteilungspflicht bei der erfolgten Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu verbleiben hat.
a) Die Klägerin erzielte nach der Aufnahme der Beschäftigung unter Einschluss des von der Arbeitgeberin gezahlten Fahrkostenzuschusses durchschnittlich ein monatliches Nettoeinkommen von 1.342,54 EUR. Hiervon waren der Freibetrag für Erwerbstätige von 210,00 EUR (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO), der Freibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 2a ZPO von 462,00 EUR, der um das Kindergeld geminderte Freibetrag für den Sohn der Klägerin gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 2b ZPO von 84,00 EUR, die Kosten für Unterkunft und Heizung von 497,65 EUR (§ 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) sowie die Kinderbetreuungskosten von jedenfalls 83,00 EUR zu zahlen. Dies ergibt ein zu berücksichtigendes monatliches Einkommen von 5,85 EUR, was gemäß § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht zu einer Festsetzung von Raten führt.
b) Die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe stellt eine unverhältnismäßige Sanktion für eine unterbliebene Mitteilung verbesserter wirtschaftlicher Verhältnisse dar, wenn eine rechtzeitige Mitteilung nicht zu einer Änderun...