Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbeachtlichkeit von echten oder unechten Hilfsanträgen bei Streitwertbemessung. Keine Erhöhung des Streitwerts bei irrtümlicher Entscheidung des Gerichts über Hilfsantrag. Maßgeblichkeit der Parteianträge für Streitwertbestimmung. Berücksichtigung des Weiterbeschäftigungsantrags bei Festsetzung des Streitwerts
Leitsatz (amtlich)
1. Eine erstinstanzliche Entscheidung über Hilfsanträge ist für die Berechnung des erstinstanzlichen Gebührenstreitwerts unerheblich, wenn in einer Rechtsmittelinstanz letztlich den Hauptanträgen stattgegeben wird (vgl. BAG 21. Januar 2021 - 6 AZR 126/20; 17. Dezember 2015 - 2 AZR 304/15, Rn. 30; BGH 13. September 2016 - VII ZR 17/14, Rn. 18, mwN).
2. Der Umstand, dass das Arbeitsgericht entgegen § 308 ZPO über einen unechten Hilfsantrag entschieden hat, bewirkt nicht seine Berücksichtigung im Rahmen der Streitwertbemessung. Überschreitet das Gericht den gestellten Antrag in der irrigen Annahme, sich noch in dessen Rahmen zu halten, so ist für den Streitwert nicht die irrtümliche Entscheidung des Gerichts, sondern gemäß § 40 GKG der Antrag der Partei maßgebend (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 27. April 2021 - 17 Ta (Kost) 6033/21; 11. Mai 2021 - 26 Ta (Kost) 6034/21).
3. Zur kostenrechtlichen Bewertung eines Weiterbeschäftigungsantrags (Fortführung zu LAG Berlin-Brandenburg 17. Dezember 2020 - 26 Ta (Kost) 6098/20).
Normenkette
GKG §§ 40, 30, 68; ZPO § 308; GKG § 68 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 11.03.2021; Aktenzeichen 38 Ca 2410/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. März 2021 - 38 Ca 2410/18 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Parteien haben erst- und zweitinstanzlich mit einem Hauptantrag über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Daneben hat die klagende Partei erst- und zweitinstanzlich einen allgemeinen Feststellungsantrag gestellt bzw. angekündigt. Mit einem weiteren Hauptantrag hat sie in beiden Instanzen Auskunft darüber begehrt, welchem Betriebsteil sie zugeordnet gewesen und auf wen dieser Betriebsteil übergegangen sei. Außerdem hat die klagende Partei Hilfsanträge gestellt, auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs und auf Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Fortsetzungsvertrages. Dar über hinaus hat sie erstinstanzlich einen Antrag auf Weiterbeschäftigung gestellt. Die klagende Partei hat das Klageziel insoweit mit folgendem Antrag verfolgt:
"Für den Fall, dass der Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll erklärt, dass er die Klagepartei im Falle des Obsiegens in der 1. Instanz bis zur Rechtskraft vertragsgerecht weiter beschäftigt und der Gütetermin erfolglos bleibt, wird folgender Antrag gestellt:
3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugbegleiter auf den Mustern der A 320 Familie/A330 mit der Zusatzfunktion Performance and Leaderchip Coach im Flugbetrieb der Insolvenzschuldnerin im Flugbetrieb der Insolvenzschuldnerin weiter zu beschäftigen."
Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich sämtlicher Anträge abgewiesen. Es hat den Wert der Beschwer in dem Urteil auf 76.245 Euro festgesetzt. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen der klagenden Partei betrug 4.485 Euro. Die klagende Partei hat das Urteil, soweit es den Weiterbeschäftigungsantrag betrifft, mit der Berufung nicht angegriffen.
Der Beklagte hat in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag in der Berufungsinstanz ein Anerkenntnis abgegeben. Die klagende Partei hat die Berufung hinsichtlich des allgemeinen Feststellungsantrags und hinsichtlich des Auskunftsantrags zurückgenommen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Anerkenntnisurteil entschieden. Auf Antrag des Klägervertreters hat das Arbeitsgericht den Gebührenstreitwert auf 15.697 Euro festgesetzt, ein Vierteljahreseinkommen hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags und ½ Bruttoeinkommen hinsichtlich des Auskunftsantrags. Die Berücksichtigung der übrigen Anträge hat das Arbeitsgericht bei der Streitwertbemessung abgelehnt.
Die Prozessbevollmächtigten der klagenden Partei begehren im Rahmen der Streitwertbeschwerde Heraufsetzung des erstinstanzlichen Streitwerts auf 56.062,50 Euro, dh auf insgesamt 12,5 Bruttoeinkommen (ein Bruttoeinkommen für den Weiterbeschäftigungsantrag, 11 Bruttoeinkommen für den Antrag auf Nachteilsausgleich und wohl ½ Bruttoeinkommen für den Auskunftsantrag). An sich habe das Arbeitsgericht den Streitwert in seinem Urteil aber bereits rechtskräftig festgesetzt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Gebührenstreitwert zutreffend berechnet. Der Kündigungsschutzantrag war dabei mit einem Vierteljahreseinkommen zu berücksichtigen und der Auskunftsantrag mit einem halben Bruttoeinkommen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 6. September 2019 - 26 Ta (Kost) 6012/19, Rn. 33), der allgemeine Feststellungsantrag hat den Streitwert nicht erhöht. Die Hilfsanträge, darunter der Wei...