Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Mitwirkung des Antragstellers
Leitsatz (amtlich)
1. Die Wirkung des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO setzt voraus, dass die entsprechende Verfügung förmlich nach § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zugestellt wird.
2. Der Mangel einer förmlichen Zustellung kann nach § 189 ZPO geheilt werden.
Normenkette
ZPO §§ 118, 329, 189, 114 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 07.02.2017; Aktenzeichen 37 Ca 11707/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 07.02.2017 - 37 Ca 11707/16 - aufgehoben und der Prozesskostenhilfe-Antrag zur erneuten Bescheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Der Kläger hat unter Stellung von 5 Anträgen mit 7 Streitgegenständen mit beim Arbeitsgericht am 07.09.2016 eingegangenen Schriftsatz der Sache nach Kündigungsschutzklage erhoben und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten gestellt. Mit bei Gericht am 23.09.2016 eingegangenen Schreiben überreichte der Kläger eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, hinsichtlich deren Einzelheiten auf Bl. 5 - 17 d. A. verwiesen wird. Mit Schreiben vom 04.10.2016 erweiterte der Kläger die Klage. Die Parteien schlossen in der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2016 einen prozessbeendenden Widerrufsvergleich, der nicht innerhalb der Widerrufsfrist bis zum 11.11.2016 widerrufen worden ist. Mit Schreiben vom 14.11.2016 (Bl. P18 d. A.) gab das Arbeitsgericht dem Kläger in Hinblick auf den Prozesskostenhilfe-Antrag ua. auf, weitere im einzelnen benannte Belege einzureichen und setzte hierzu eine Frist von einer Woche. Eine förmliche Zustellung des die Fristsetzung enthaltenen Schreibens unterblieb. Mit Schreiben vom 23.11.2016 verlängerte das Arbeitsgericht auf Antrag des Klägers die Frist bis zum 29.11.2016. Eine förmliche Zustellung des die Fristsetzung enthaltenen Schreibens unterblieb erneut. Ob dieses Schreiben dem Klägervertreter zugegangen ist, ergibt sich aus der Akte nicht. Mit Beschluss vom 07.02.2017 wies das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag zurück und führte zur Begründung aus "Der Antrag war gemäß § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO abzulehnen." Gegen den dem Kläger am 13.02.2017 zugestellten Beschluss legte der Kläger mit beim Arbeitsgericht am 14.02.2017 eingegangen Schriftsatz Beschwerde ein und reichte weitere Unterlagen nach. Mit Schreiben vom 17.03.2017 gab das Arbeitsgericht dem Kläger wiederum auf, weitere Unterlagen binnen einer Frist von 3 Wochen einzureichen. Eine förmliche Zustellung des die Fristsetzung enthaltenen Schreibens unterblieb wiederum. Nachdem weitere Unterlagen nicht eingereicht worden waren, half das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 24.04.2017 der Beschwerde nicht ab.
II.
1. Die gemäß §§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO. Sie ist daher zulässig.
2. Auf die Beschwerde des Klägers waren der arbeitsgerichtliche Beschluss aufzuheben und der Prozesskostenhilfe-Antrag zur erneuten Bescheidung an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.
a. Das Arbeitsgericht durfte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht unter Verweis auf § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO ablehnen. Die Voraussetzungen des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO lagen nicht vor.
aa. Grundsätzlich muss der vollständige Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem ordnungsgemäß ausgefüllten Antragsvordruck (§117 Abs. 3, Abs. 4 ZPO) und allen Unterlagen bis zum Abschluss der Instanz oder des Verfahrens beim zuständigen Gericht vorliegen. Über einen rechtzeitig eingereichten Prozesskostenhilfeantrag mit unvollständigen Angaben und Unterlagen kann allerdings noch nach Abschluss der Instanz bzw. des Verfahrens ausnahmsweise positiv entschieden werden, wenn das Gericht eine Frist zur Nachreichung der fehlenden Unterlagen und Belege gesetzt hat. Soweit dem Antragsteller eine solche gerichtliche Nachfrist, die nach dem Ende der Instanz liegt, wirksam gesetzt worden ist, muss diese Nachfrist - anders als eine vor dem Ende der Instanz ablaufende Nachfrist - eingehalten werden. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht führt zum Verlust des Anspruchs auf Prozesskostenhilfebewilligung und Anwaltsbeiordnung. Nach Fristablauf eingehende Angaben, Belege oder Unterlagen können grundsätzlich auch nicht mehr im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden (BAG 03.12.2003 - 2 AZB 19/03 - Juris; LAG Schleswig-Holstein 09.12.2015 - 1 Ta 194/15 - Juris; LAG Köln 28.10.2015 - 11 Ta 308/15 - Juris, jeweils mwN).
bb. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger nach der Beendigung des Rechtsstreits eine Frist zu Einreichung von weiteren Unterlagen gesetzt.
cc. Nach § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind allerdings nicht verkündete Verfügungen des Vorsitzenden, die eine Frist in Lauf setzen, zuzustellen. Die Wirkung ...