Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllen der Voraussetzungen für die ratenfreie Bewilligung von Prozesskostenhilfe i.R.e. Klage auf Verzugslohn
Leitsatz (amtlich)
Streitigkeiten um Arbeitsentgelt sind keine persönlichen Angelegenheiten im Sinne von § 1360a Abs. 4 BGB, für die ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss in Betracht kommt.
Normenkette
ZPO §§ 114-115; BGB § 1360a; BGB § 1360a Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 22.08.2023; Aktenzeichen 48 Ca 13193/22) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 30. August 2023 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. August 2023 - 48 Ca 13193/22 - teilweise abgeändert und der Klägerin für den Zahlungsantrag aus der Klageschrift ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F bewilligt.
II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
III. Eine Gebühr ist nicht zu erheben.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird für die Landeskasse zugelassen.
Gründe
I.
Gegenstand der sofortigen Beschwerde ist die Ablehnung von Prozesskostenhilfe.
Mit ihrer Klage verfolgte die Antragstellerin und Arbeitnehmerin gegen den beklagten Arbeitgeber nach mehreren rechtskräftig für unwirksam erklärten Kündigungen Verzugslohnansprüche für die Monate Mai 2020 bis einschließlich Oktober 2021 und außerdem die Erteilung von auf den Verzugslohn bezogenen Lohnabrechnungen. Das Verfahren in der Hauptsache endete durch mit Beschluss vom 21. Juli 2023 festgestellten Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis beendet ist und die Beklagte die eingeklagte Summe sowie eine Abfindung an die Antragstellerin zahlen und außerdem Abrechnungen erteilen muss.
Den mit der Klage am 22. Dezember 2022 gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten wies das Arbeitsgericht nach Nachreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 16. Januar 2023 durch Beschluss vom 22. August 2023 zurück. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin könne zwar nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht selbst die Kosten des Prozesses tragen, sie habe jedoch gegen ihren Ehemann im Hinblick auf dessen monatliche Nettovergütung von über 2.800 EUR einen familienrechtlichen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss, der der Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorgehe.
Gegen den ihr am 28. August 2023 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 30. August 2023 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend macht, der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss könne im Hinblick auf die Bescheidung des Prozesskostenhilfeantrags erst nach Abschluss des Verfahrens keine Berücksichtigung finden.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, die Bescheidung des Prozesskostenhilfeantrags nach Verfahrensabschluss sei darin begründet, dass die Antragstellerin sich erst Ende Juni 2023 zum Bestehen einer Rechtsschutzversicherung erklärt habe und die Klage bis zuletzt nicht schlüssig bzw. ohne hinreichende Erfolgsaussichten gewesen sei. Die Antragstellerin hätte den Klageantrag auf das Bruttoarbeitsentgelt abzüglich des bezogenen Arbeitslosengeldes richten müssen. Der Abrechnungsanspruch bestehe nach der gesetzlichen Regelung in § 108 Gewerbeordnung erst bei Zahlung des Arbeitsentgelts.
Im Beschwerdeverfahren haben die Antragstellerin und der Bezirksrevisor schriftlich Stellung genommen. Hierauf und auf das Hinweisschreiben des Gerichts vom 6. November 2023 wird verwiesen.
II.
Die sofortige Beschwerde hat teilweise Erfolg. Sie ist zulässig und insoweit begründet, als der Antragstellerin ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung zur Verfolgung der eingeklagten Verzugslohnansprüche zu bewilligen ist. Wegen der geltend gemachten Abrechnungen hat das Arbeitsgericht dagegen den Antrag auf Prozesskostenhilfe zu Recht abgewiesen. Für den Mehrvergleich in Gestalt der Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann ebenfalls keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden.
1. Die nach § 11a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 127 Absatz 2 Satz 2, § 567 Absatz 1 Ziffer 1 Zivilprozessordnung (ZPO) statthafte und frist- und formgerecht (vgl. § 127 Absatz 2 Satz 3, § 569 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig.
2. Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Die Voraussetzungen für die ratenfreie Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung sind insoweit erfüllt, als die Klägerin Verzugslohn eingeklagt hat.
a. Dies gilt zunächst für die aus § 114 ZPO folgenden Voraussetzungen: hinreichende Erfolgsaussichten und fehlende Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung.
aa. Hinreichende Erfolgsaussichten sind zu bejahen. Nach dem Darlegungsstand in der Hauptsache waren der Klägerin Verzugslohnansprüche für den streitbefangenen Zeitraum entstanden. Wie von § 11 Ziffer 3 Kündigungsschutzgesetz geboten, hat die Antragstellerin die erhaltenen Arbeitslosigkeitsleistu...