Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten für Streitigkeiten im Rahmen eines entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes
Leitsatz (amtlich)
§ 2 Abs. 1 Nr. 8 ArbGG und § 2 Abs. 1 Nr. 8a ArbGG sind auf den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst nicht analog anwendbar.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nrn. 3a, 8, 8a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 05.09.2018; Aktenzeichen 37 Ca 9771/18) |
Nachgehend
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 05.09.2018 - 37 Ca 9771/18 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin schloss unter dem 19.03.2018 einen dreiseitigen Vertrag über die Durchführung eines entwicklungspolitischen "Freiwilligendienstes", der als Vertragspartner die Klägerin als "Freiwillige", die Beklagte als "Entsendeorganisation" und die "Dienststelle/Partnerorganisation im Gastland Südafrika" auswies. Der Vertrag sah einen Freiwilligendienst der Klägerin in einer Sonderkindertagesstätte der Dienststelle/Partnerorganisation für 12 Monate vor. Die Beklagte verpflichtet sich unter anderem, die Kosten der Hin- und Rückreise zum Einsatzort zu übernehmen. Hinsichtlich des genauen Wortlauts des Vertrags wird auf Bl. 18-24 d. A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 09. Juli 2018 (Bl. 25 d. A.) kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung.
Mit beim Arbeitsgericht am 19. Juli 2018 eingegangener Klage hat die Klägerin folgende Anträge angekündigt (sic):
1. festzustellen, dass das zwischen den Streitparteien bestehende Freiwilligendienstverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten, eingereicht am 09.07.2018 und bei der Klägerin eingegangen am 10.07.2018, außer Kraft gesetzt worden ist.
2. zu ermitteln, dass das gegebene Arbeitsverhältnis außerdem nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern fortbesteht - zu unveränderten Vertragsbedingungen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 05. September 2018 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Charlottenburg verwiesen.
Gegen den ihr am 17.09.2018 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit beim Arbeitsgericht am 01. Oktober 2018 eingegangen Schriftsatz Beschwerde eingelegt.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet, da das Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen sei. Zur Begründung verweist die Klägerin auf ein Urteil des VG Siegmaringen, wonach die im Rahmen eines Freiwilligendienstes vereinbarten Leistungen als Einkommen i. S. d. BAföG anzusehen sind sowie auf die "Regelungen zu Arbeits-, Urlaubszeiten und Abwesenheit vom Dienst" in dem Vertrag der Parteien. Zumindest sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach § 2 Abs. 1 Ziff. 8 und 8a ArbGG eröffnet. Die Interessenlage und die gesetzgeberischen Interessen, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte vorzusehen, seien für den vorliegenden entwicklungspolitischen Freiwilligendienst identisch. Die bisherigen Verfahren bei den unterschiedlichen Gesetzgebungsinitiativen belegen, dass es in der Regel eine Initiative von dritter Seite war, die dazu geführt habe, die bisherigen Regelungen zu verabschieden. Es sei deshalb anzunehmen, dass der Gesetzgeber für den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst den Regelungstatbestand bisher nur übersehen habe und insoweit eine Regelungslücke vorliege.
Die Beklagte verweist darauf, dass sie lediglich als Vermittlerin dafür, dass die Klägerin bei der Partnerorganisation einen Freiwilligendienst ausübe, tätig geworden sei. Es liege weder ein Arbeitsverhältnis noch ein Quasi-Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien vor.
II.
A. Die nach den §§ 48 ArbGG, 17 a Abs. 4 S. 3 GVG, § 78 ArbGG, 567 Abs. 1 ZPO statthafte und vorliegend insgesamt zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG eröffnet. Die Parteien streiten nicht um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses.
1. Die Klägerin begehrt mit dem Antrag zu 1., dass ein bestehendes Freiwilligendienstverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten aufgelöst worden ist.
a. Das Freiwilligendienstverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis. Bei der Tätigkeit im Rahmen eines Freiwilligendienstverhältnisses steht nicht die für ein Arbeitsverhältnis typische Verpflichtung zur Leistung fremdbestimmter Arbeit im Vordergrund. Vielmehr sollen den Freiwilligen vor allem soziale Erfahrungen vermittelt und ihr Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl gestärkt werden (vgl. BAG 12.02.1992 - 7 ABR 42/91 - AP Nr 52 zu § 5 BetrVG 1972 für den Freiwilligendienst nach dem Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres; GK/ArbGG-Schleusener § 5 Rn. 116 und 117).
b. Ein Arbeitsverhältnis lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass die vereinbarten Leistungen (mona...