Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Experten durch das ZIF nur bei sachlich erheblichem Grund. Grundrechtsbindung des ZIF durch BRD als alleinige Gesellschafterin. Auslandseinsätze kein öffentliches Amt. Keine Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 2 GG bei internationalen Friedenseinsätzen
Leitsatz (amtlich)
1. Die "ZIF - Berliner Zentrum für internationale Friedenseinsätze gGmbH" darf in ihren Expertenpool für zivile Friedenseinsätze nach dem Sekundierungsgesetz aufgenommene Personen daraus nur aus sachlichen Gründen von erheblichem Gewicht ausschließen. Hintergrund ist, dass alleinige Gesellschafterin der ZIF die Bundesrepublik Deutschland ist. Daraus folgt eine Grundrechtsbindung der ZIF an Artikel 12 Absatz 1 GG (freie Wahl des Arbeitsplatzes) und Artikel 3 Absatz 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz), durch die auch ihre Rücksichtsnahme- und Loyalitätspflichten nach § 241 Absatz 2, § 242 BGB geprägt werden.
2. Das für die Ämtervergabe im öffentlichen Dienst geltende grundrechtsgleiche Recht des Artikels 33 Absatz 2 GG (Auswahl nur nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leitung) ist nicht anwendbar. Bei den internationalen Friedenseinsätzen handelt es sich nicht um öffentliche Ämter im Sinne der Verfassungnorm, da die sekundierten Personen außerhalb der Staatsorganisation der Bundesrepublik Deutschland in Einrichtungen internationaler oder supranationaler Organisationen eingesetzt werden.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; BGB § 241 Abs. 2, §§ 242, § 305 ff., § 311 Abs. 2 Nr. 2, §§ 314, 826; SekG §§ 1 ff.; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 05.12.2019; Aktenzeichen 27 Ca 4642/18) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. Dezember 2019 - 27 Ca 4642/18 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit der Beendigung der Mitgliedschaft der Klägerin im Expertenpool der Beklagten und in diesem Zusammenhang über die Verpflichtung der Beklagten, den elektronischen Zugang der Klägerin zum Expertenpool und ihr dort hinterlegtes Profil freizuschalten, sowie darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, Bewerbungen der Klägerin für internationale Friedenseinsätze entgegenzunehmen, bei der Auswahl Artikel 33 Absatz 2 GG (Grundgesetz) zu beachten und die Klägerin über das Ergebnis der Auswahl rechtzeitig vor der Nominierung eines oder einer Mitbewerber:in zu informieren.
Die Beklagte wurde 2002 als gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet. Alleingesellschafterin ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Auswärtige Amt. Die Beklagte vermittelt und entsendet unter anderem mit Erlaubnis des Auswärtigen Amts ziviles Personal an internationale, supranationale oder ausländische staatliche Einrichtungen für Einsätze im Rahmen der internationalen Krisenprävention im Auftrag und im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Bei den Einsätzen handelt es sich um Auslandseinsätze im Rahmen von Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen (VN), der Europäischen Union (EU), der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) oder im Rahmen von Wahlbeobachtungsmissionen unter der Führung der EU oder der OSZE. Bei Wahlbeobachtungsmissionen der EU beschränkt sich die Tätigkeit der Beklagten auf die bloße Nominierung von Wahlbeobachter:innen, welche dann Verträge unmittelbar mit der EU abschließen. Ferner gehört zu den Aufgaben der Beklagten die Qualifizierung und Betreuung der zivilen Einsatzkräfte sowie als Kompetenzzentrum rund um das Thema Friedeneinsätze die Bereitstellung von Analysen und Informationen, Politikberatung und die Beratung und Unterstützung der internationalen Organisationen bei der Verbesserung ihrer Strukturen und Prozesse.
Die Entsendung des zivilen Personals erfolgt in Form sogenannter Sekundierungen nach dem Sekundierungsgesetz (SekG), welches 2017 durch das Gesetz zur Regelung von Sekundierungen im Rahmen von Einsätzen der zivilen Krisenprävention vom 27. Juni 2017 (BGBl. (Bundesgesetzblatt) I S. (Seite) 2017) novelliert worden ist. Bei der sogenannten Sekundierung werden die zivilen Einsatzkräfte für die jeweilige Organisation unter deren Regie im Rahmen eines sogenannten Aufnahmeverhältnisses tätig, wobei die soziale Absicherung und gegebenenfalls die Vergütung von der Bundesrepublik Deutschland als sekundierender Staat bzw. (beziehungsweise) der Beklagten übernommen wird. Dazu wählt die Beklagte als einzige Sekundierungseinrichtung im Sinne des § 4 Absatz 1 Nr. 2 SekG für Einsätze, an denen die Bundesrepublik Deutschland ein politisches Interesse hat, geeignete Fachkräfte aus und schlägt diese der entsprechenden Organisation vor. Entscheidet sich die Organisation für eine der vorgeschlagenen Fachkräfte, begründet die Beklagte mit der Fachkraft nach § 3 Absatz ...