Entscheidungsstichwort (Thema)
Erforderliche Nachweise für Überstundenvergütung
Leitsatz (amtlich)
Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne Einschränkung auch den vom § 1 MiLoG garantierten Mindestlohn umfasst, ist insoweit wegen Verstoßes gegen § 3 Satz 1 MiLoG (nur) teilweise nichtig, wenn der Arbeitsvertrag vor dem 01.01.2015 geschlossen wurde.
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den Nachweis der Vergütung von Überstunden ist es erforderlich darzulegen, dass Arbeit in einem Umfang erbracht wurde, der die Normalarbeitszeit übersteigt. Ferner muss vorgetragen werden, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet worden sind.
2. Die Vereinbarung von Ausschlussklauseln in Formulararbeitsverträgen ist wirksam, soweit dies ausgewogen ist.
Normenkette
BGB §§ 612, § 305 ff.; MiLoG § 3 S. 1; ArbZG § 21a Abs. 7 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 15.03.2018; Aktenzeichen 1 Ca 890/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 15. März 2018 - 1 Ca 890/17 - teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgelt für Überstunden.
Der Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 11. April 2011 in der Zeit vom 11. April 2011 bis zum 31. Juli 2017 bei der Beklagten als Lkw-Kraftfahrer zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 1.584,76 € beschäftigt.
In § 3 des Arbeitsvertrages ist unter der Überschrift "Arbeitszeit" folgendes vereinbart:
"(1) Beginn und Ende der Arbeitszeit werden durch den Arbeitgeber festgelegt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Fahrzeitregelungen zu beachten. Pausen sollen, soweit möglich, in die Wartezeiten die Kunden gelegt werden.
(2) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, Mehr- und Überstunden, Nacht-,Schicht-, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang zu leisten."
In § 10 des Arbeitsvertrages ist unter der Überschrift "Fahrtenschreiber, Fahrzeugpflege" folgendes vereinbart:
"(1) Tachoscheiben sind gemaess dem beigefügten Informationsblatt korrekt auszufüllen. Die Stundenzettel- und Blackboxangaben sind zusammen mit den Tachoscheiben jeweils am letzten Arbeitstag der Woche abzugeben bzw. Fahrerkarte wöchentlich auslesen! Fahrerkarte muss einmal die Woche ausgelesen werden.
(2) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den ihm anvertrauten LKW sauber zu halten und täglich Oel, Wasser, Licht und Reifendruck zu kontrollieren. Fuer Schäden, die aufgrund der unterbliebenen Kontrolle entstanden sind, wird der Arbeitnehmer haftbar gemacht."
In § 11 des Arbeitsvertrages ist unter der Überschrift "Ausschlussfristen" folgendes vereinbart:
"(1) Die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verwirkt.
(2) Bleibt die Geltendmachung erfolglos, so muß der Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Schriftlicher Ablehnung durch die Gegenpartei eingeklagt werden, andernfalls ist er ebenfalls verwirkt."
Hinsichtlich des vollständigen Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf die Ablichtung auf Bl. 29 - 34 d. A. Bezug genommen (Bestandteil der Anl. K1).
Unter dem 16. April 2012 trafen die Parteien "Vertragsänderungen" und vereinbarten in § 1 unter der Überschritt "Vergütung" folgendes:
"(1) Das Gehalt beträgt ab 01.03.2012 monatlich € 1.584,76 brutto.
(2) Ab dem 01.03.2012 erhält der Arbeitnehmer eine monatliche Prämie von € 100,= Brutto. Diese Prämie wird ausgezahlt auf dem als Anlage (Zusatzvereinbarung) beigefügte Bedingungen.
(3) Ab der 220. Monatsstunde ist für jede weitere Stunde eine Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 25% zu bezahlen. Pro Arbeitstag wird der Arbeitnehmer 60 Minuten als Pause angerechnet. (Lenk- und Ruhezeiten)."
Hinsichtlich des vollständigen Inhalts der Änderungsvereinbarung wird auf die Ablichtung auf Bl. 26 - 27 d. A. Bezug genommen (Bestandteil der Anl. K1). Ferner trafen die Parteien unter dem 16. April 2012 eine Zusatzvereinbarung hinsichtlich der Prämienregelung hinsichtlich deren Inhalt auf die Ablichtung auf Bl. 28 d. A. Bezug genommen wird (Bestandteil der Anl. K1).
Der Kläger arbeitete von Montag bis Freitag und erschien jeweils morgens in der Niederlassung der Beklagten in 14797 Rietz, nahm einen mit Teppichen, Auslegeware und ähnlichen Waren beladenen Lkw in Empfang und lieferte die Ware in den neuen Bundesländern aus. Nach Beendigung der Auslieferungen fuhr der Kläger jeweils wieder zur Niederlassung in Rietz und stellte den Lkw dort ab. Der Kläger fuhr arbeitstäglich verschiedene Touren zu unterschiedlichen Lieferorten und erhielt hierfür jeweils abends einen Tourenplan (Lieferschein) für den folgenden Arbeitstag.
Mit der vorliegenden, am 15. November 2017...