Entscheidungsstichwort (Thema)

Geldentschädigung wegen Altersdiskriminierung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Zuordnung sämtlicher Erzieher über 40 Jahre in einen „Personalüberhang” mit dem Ziel der Versetzung in die Personalreserve stellt eine schadensersatzpflichte Altersdiskriminierung dar.

 

Normenkette

Berliner „Stellenpoolgesetz” vom 9. Dezember 2003; AGG § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 11.05.2007; Aktenzeichen 91 Ca 306/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.01.2009; Aktenzeichen 8 AZR 73/08)

 

Tenor

I. Auf die die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11.05.2007 – 91 Ca 306/07 – teilweise abgeändert:

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 1.000,– EUR (eintausend) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. März 2007 zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

III. Die Kosten der I. Instanz haben die Klägerin zu 60% und das beklagte Land zu 40% zu tragen. Von den Kosten der II. Instanz haben das beklagte Land 15% und die Klägerin 85% zu tragen.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Zuordnung der Klägerin zum Personalüberhang wirksam war, und ob das beklagte Land wegen einer Altersdiskriminierung die Klägerin zu entschädigen hat.

Die 1961 geborene Klägerin ist seit 1983 als Erzieherin in der landeseigenen Kita in der R. Straße tätig. Nachdem die Kindertagesstätten den verschiedenen Eigenbetrieben des beklagten Landes zugeordnet worden waren, gehörte die Klägerin zum „K. C. Eigenbetriebe von Berlin”. Dieser war zuständig für die Kitas der Bezirke M. und F.-K.. Von den dort beschäftigten 829 Erziehern in den Vergütungsgruppen VI b/V c waren am 1. Oktober 2006 263 Personen bis 39 Jahre alt (31,7 %) und 566 Personen 40 Jahre alt oder älter (68,3 %). Das Durchschnittsalter betrug 45 Jahre.

Mit dem „Gesetz zur Einrichtung eines Zentralen Personalüberhangmanagements (Stellenpool) (Stellenpoolgesetz – StPG)” vom 9. Dezember 2003 (GVBl. Berlin S. 589 – in Kraft getreten am 1. Januar 2004) bestimmt das beklagte Land das Zentrale Personalüberhangmanagement (Stellenpool) zu einer der Senatsverwaltung für Finanzen nachgeordneten Behörde (§ 1 Abs. 1 S. 1 StPG). Nach § 1 Abs. 1 S. 2 StPG werden dieser diejenigen Dienstkräfte unterstellt, deren Beschäftigung durch den Wegfall von Aufgaben oder die Verlagerung von Aufgaben auf andere Dienstkräfte in ihrer Dienstbehörde nicht mehr möglich ist. Die Versetzung zum Stellenpool erfolgt nach § 1 Abs. 2 S. 3 StPG. Die Auswahl der dem Personalüberhang zuzuordnenden Mitarbeiter bestimmt sich nach der Verwaltungsvorschrift über die Zuordnung von Beschäftigen zum Personalüberhang (VV Auswahl) vom 28.06.2005 (Dienstblatt des Senats von Berlin, Teil I, 5. 8. 2005, S. 57 ff.; Internet: http://www.verwalt-berlin.de/imperia/md/content/basteglitzzehlendorf/abteilungen/personalservice/vv_auswahl_2007.pdf). Die Auswahl der Beschäftigten erfolgt gemäß § 6 stichtagsbezogen nach den Kriterien Lebensalter, Beschäftigungszeiten, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung, wobei jedem dieser Kriterien bestimmte Punkte zugeordnet werden. Ausnahmen lässt § 5 Abs. 2 zu:

„Eine Zuordnung zum Personalüberhang nach den in § 6 aufgeführten Auswahlkriterien findet nicht statt, wenn die Weiterbeschäftigung der Beschäftigten insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur (einschließlich der Ziele des § 3 Abs. 3 des Landesgleichstellungsgesetzes) im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.”

Durch Vermerk vom 26.10.2006 (Bl. 50 f. d. A.) hat die Geschäftsleitung des Eigenbetriebes K. C. Kriterien für die Benennung von Erzieherinnen für den Personalüberhang festgelegt. Die Auswahl wird bezogen auf jede einzelne Kindertagesstätte vorgenommen. Die Beschäftigten der Vergütungsgruppe VII werden in Gänze dem Personalüberhang zugeordnet. Die Beschäftigten der Vergütungsgruppen VI b/V c werden nur dann in die Auswahl einbezogen, wenn ihre Arbeitszeit zwischen 100 % und 76 % beträgt und sie zum Stichtag am 01.10.2006 das 40. Lebensjahr vollendet haben.

Durch Schreiben vom 17. November 2006 teilt das beklagte Land der Klägerin mit, dass sie zum 1. Januar 2007 dem Personalüberhang zugeordnet werde. Mit weiterem Schreiben vom 27. Dezember 2006 erfolgt die Versetzung zum Stellenpool ebenfalls zum 1. Januar 2007. Seit diesem Zeitpunkt wurde die Klägerin kurzfristig als Erzieherin in verschiedenen Kindertagesstätten und Schulen eingesetzt.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2007 (Kopie Bl. 68 f. d. A.) machte die Klägerin gegenüber dem beklagten Land Schadensersatzansprüche gem. § 15 AGG geltend, weil bei der vorgenommenen Auswahl lediglich die über 40-jährigen Erzieherinnen berücksichtigt wurden. Die hierauf gerichtete Klageerweiterung ging am 23. März 2007 beim Arbeitsgericht Berlin ein.

Die Klägerin hat – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – beantragt,

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