Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit identischer Berufungsbegründung für verschiedene Beitragszeiträume. Zulässigkeit der Klage bei notwendiger Heranziehung beigefügter Anlagen
Leitsatz (amtlich)
Die Durchsetzung des materiellen Rechts soll so wenig wie möglich an Verfahrensfragen scheitern.
Normenkette
ZPO § 253; ArbGG § 64 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 17.01.2019; Aktenzeichen 64 Ca 81952/17) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Januar 2019 - 64 Ca 81952/17 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
III. Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.310,75 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für die Monate August 2016 und September 2016 in Höhe von insgesamt 4.310,75 EUR.
Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Die Beklagte, die in keinem Arbeitgeberverband der Bauwirtschaft organisiert ist, unterhält einen Betrieb, der Trockenbauarbeiten ausführt.
Die Beklagte hat dem Kläger Beträge gemeldet, die aufgrund der Vergütungszahlungen für August und September 2016 als Sozialkassenbeitrag anfallen würden. Diese verlangt der Kläger mit der Klage, wobei ein Erstattungsanspruch der Beklagten verrechnet wurde. Mit einem Schriftsatz vom 5. Dezember 2018 hat der Kläger die sogenannte "Offene Postenliste" für die Monate August und September 2016 eingereicht. In dem Schriftsatz hat der Kläger ausgeführt:
"überreicht der Kläger eine Liste hinsichtlich der Zusammensetzung der Klageforderung im Einzelnen."
In dieser eine Seite umfassenden Liste ist in acht Spalten das Buchungsdatum, die Buchungsart, der Buchungstext, der Monat, das Soll, das Haben, ein Teilsaldo und ein Gesamtsaldo aufgeführt werden. In den abgesehen von den Überschriften fünf Zeilen sind die Meldung für Angestellte August 2016, die Meldung für Angestellte September 2016, die Meldung für gewerbliche Arbeitnehmer August 2016, die Meldung für gewerbliche Arbeitnehmer September 2016 sowie eine Gutschrift der ULAK vom April 2017 aufgeführt. Von den Beiträgen für Angestellte im Umfang von jeweils 275 EUR sowie den Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer in Höhe von 3.465,87 EUR für August 2016 sowie 3.147,97 EUR für September 2016, also insgesamt 7.163,84 EUR, hat der Kläger aufgrund einer Gutschrift in Höhe von 2.853,09 EUR für April 2017 einen restlichen Betrag von 4.310,75 EUR ermittelt und letztlich mit der Klage geltend gemacht.
Der Kläger hält danach die Klage für schlüssig.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Klage unschlüssig geblieben sei, da dem Sachvortrag des Klägers nicht zu entnehmen sei, aufgrund welcher Anspruchsgrundlage der Kläger eine Forderung in geltend gemachter Höhe verlange; die Bezugnahme auf Anlagen stelle keinen Sachvortrag dar.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17. Januar 2019 der Klage entsprochen. Der Anspruch ergebe sich aus §§ 15, 16, 18 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV-Bau) vom 3. Mai 2013 in der jeweiligen Fassung, denn die tariflichen Bestimmungen fänden aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV-Bau vom 4. Mai 2016 mit Wirkung zum 1. Januar 2016 unabhängig von einer Mitgliedschaft in den vertragschließenden Verbänden Anwendung. Die Allgemeinverbindlicherklärung sei rechtswirksam (BAG, Beschluss vom 20. November 2018 - 10 ABR 12/18). Die Beklagte habe nicht bestritten, einen Trockenbauarbeiten ausführenden Betrieb und damit einen Baubetrieb im Tarifsinne zu unterhalten.
Die Klage sei auch der Höhe nach begründet. Mache der Kläger wie vorliegend im Wege der Gesamtklage Beitragsforderungen geltend, sei er gehalten, die Klageforderung unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu spezifizieren, d. h. er müsse monatsweise aufschlüsseln, welche Beiträge der Gesamtklage zugrunde lägen. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Der prozessuale Anspruch bei einer Beitragsklage der Sozialkasse sei jeweils der auf der Grundlage des VTV-Bau in einem Monat für alle Arbeitnehmer angefallene Sozialkassenbeitrag. Dies gelte unabhängig davon, ob die Erstreckung der tariflichen Pflichten kraft Allgemeinverbindlicherklärung oder kraft des Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SokaSiG) erfolge. Der VTV-Bau stelle, wie sich aus den §§ 6, 15, 16 und 18 VTV-Bau ergebe, auf einen monatlichen Beitragseinzug ab. Entsprechend müsse der Bauarbeitgeber monatlich Beitragsmeldungen einreichen. Im Klageverfahren müsse der Kläger den Beitragsanspruch individualisieren; der Kläger habe daher darzulegen, wie sich die erhobene Gesamtforderung auf die einzelnen Beitragszeiträume verteile. Dies sei vorliegend dadurch geschehen, dass der Kläger unter Bezugnahme auf die eingereichte "Offene Postenlis...