Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristete Erwerbsminderung. Urlaub. Entstehen. Verfall. Rechtsfolgen einer befristeten Erwerbsminderung hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs
Leitsatz (amtlich)
Auch in einem wegen Bezugs einer befristeten Erwerbsminderungsrente ruhenden Arbeitsverhältnis entsteht Jahr für Jahr der gesetzliche Mindesturlaub. Dieser Anspruch verfällt nicht mit dem Ende des Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 BUrlG).
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3-4; AVR § 28a Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.01.2012; Aktenzeichen 24 Ca 11126/11) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Januar 2012 - 24 Ca 11126/11 - teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.312,23 EUR brutto abzüglich gezahlter 1.688,14 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 27. Juli 2011 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zu 70% und die Klägerin zu 30%, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 55% und die Klägerin zu 45%.
IV. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 5.321,56 EUR festgesetzt.
V. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Umfang der der Klägerin abzugeltenden Urlaubstage nach langer Arbeitsunfähigkeit und zunächst befristeter Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die schwerbehinderte Klägerin ist 49 Jahre alt (...... 1962) und war seit dem 1. Januar 1998 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte mit 30 Wochenarbeitsstunden beschäftigt. Grundsätzlich hatte sich die Klägerin bereit erklärt, 40 statt 38,5 Wochenstunden zu leisten. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) Anwendung. Zuletzt hätte der Klägerin eine Vergütung von 1.741,74 EUR gemäß der Entgeltgruppe 5 U als Sonderstufenentgelt gemäß § 18 Abs. 3 AVR DWBO/Anlage 5 - West zugestanden (2.322,32 EUR ./. 40 Std. x 30 Std.). Dieses entspräche einer Tagesvergütung von 80,38 EUR (Bl. 99 d.A.).
Nachdem die Klägerin im Jahre 2008 noch vier Urlaubstage in Anspruch genommen hatte, ruhte das Arbeitsverhältnis seit dem 1. November 2008 da die Klägerin eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente bezog. Seit dem 1. Mai 2011 erhält die Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dieses führte nach § 35 Abs. 1 Unterabs. 2 AVR zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. April 2011. Mit Schreiben vom 21. April 2011 machte die Klägerin eine Abgeltung ihres Urlaubs für die Jahre 2008 bis 2010 sowie vom 1. Januar 2011 bis 30. April 2011 geltend. Nach § 28a Abs. 4 AVR vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs mit Ausnahme des Zusatzurlaubs nach dem SGB IX u.a. wegen jedem vollen Monat eines Ruhens des Dienstverhältnisses nach § 35 Abs. 1 Unterabs. 3 infolge teilweiser Erwerbsminderung um ein Zwölftel.
Insgesamt begehrte die Klägerin erstinstanzlich einschließlich des Schwerbehindertenzusatzurlaubs eine Urlaubsabgeltung für 113 Tage, entsprechend 31 Tage für 2008, 35 Tage für 2009, 35 Tage für 2010 und 12 Tage für 2011.
Das Arbeitsgericht hat der Klägerin mit Urteil vom 19. Januar 2012 und Berichtigungsbeschluss vom 7. Februar 2012 lediglich die Urlaubsabgeltung für das Jahr 2008 mit einem Tagessatz von 85,49 EUR (38,5/30 statt 40/30) in Höhe von 2.650,19 EUR brutto abzüglich gezahlter 1.688,14 EUR netto zugesprochen. Für die Jahre 2009 bis 2011 hatte das Arbeitsgericht der Klägerin den Urlaubsabgeltungsanspruch versagt, da der Urlaubs(abgeltungs-)-Anspruch während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht entstehe.
Gegen dieses der Klägerinvertreterin am 20. Februar 2012 zugestellte Urteil legte diese am 23. Februar 2012 Berufung ein und begründete diese am 14. April 2012. Der Urlaubsanspruch entstehe unabhängig von dem konkreten Erbringen der Arbeitsleistung. Er würde nicht erlöschen, wenn die Klägerin bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkranke und deshalb arbeitsunfähig sei. Während des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses seien nur die Hauptpflichten der Parteien suspendiert. Die Kürzungsregel in den AVR verstoße gegen Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Dort sei keine Unterscheidung zwischen gesetzlichem und darüber hinausgehendem Urlaub enthalten.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Januar 2012 zum gerichtlichen Aktenzeichen - 24 Ca 11126/11 - insoweit abzuändern als die Klage abgewiesen wurde und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.659,89 EUR brutto abzüglich gezahlter 1.688, 14 EUR netto zuzüglich n fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 27. Juli 2011 zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte entge...