Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung von Rüst-, Umzieh- und Wegezeiten eines Objektschützers. Umgang mit Dienstuniform und Waffe im häuslichen Bereich als zusätzliche Arbeitszeit. Keine vergütungspflichtige Arbeitszeit für Weg von Wohnung zum Schutzobjekt
Leitsatz (redaktionell)
1. Zeiten für An- und Ablegen der Dienstuniform, für das Auf- und Abrüsten der persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen sowie das Entnehmen, Laden, Anlegen, Ablegen, Entladen und Wegschließen der Waffen im häuslichen Bereich sind vergütungspflichtige Tätigkeiten im Sinne der §§ 611, 611a Abs. 2 BGB. Denn das Tragen einer auffälligen Dienstuniform sowie einer Waffe sind immer fremdnützig.
2. Es besteht kein Anspruch auf zusätzliche Vergütung von Arbeitszeit für den Weg von der Wohnung zum Schutzobjekt.
Normenkette
BGB §§ 611, 611a Abs. 2; ZPO § 138 Abs. 4, §§ 256, 286, 287 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 29.01.2019; Aktenzeichen 58 Ca 1361/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. Januar 2019 - 58 Ca 1361/18 - teilweise abgeändert und
1. festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die von dem Kläger seit dem 20. November 2016 an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, zusätzlich erbrachte Arbeitszeit im häuslichen Bereich für das An- und Ablegen der Dienstuniform (Umkleiden) sowie das Auf- und Abrüsten mit den dem Kläger persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen (Rüsten) im Umfang von insgesamt 8 Minuten (bestehend aus 4 Minuten vor dem offiziellen Dienstbeginn und 4 Minuten nach dem offiziellen Dienstende) und die seit dem 1. Juli 2016 an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, jeweils erbrachte zusätzliche Arbeitszeit für das Entnehmen, Laden und Anlegen der Dienstwaffe von 1 Minute vor dem offiziellen Dienstbeginn und die zusätzliche Arbeitszeit für das Ablegen, Entladen und Wegschließen der Dienstwaffe von 2 Minuten nach dem offiziellen Dienstende nach Maßgabe der tariflichen Vorschriften des TV-L nach der zutreffenden Entgeltgruppe des Klägers zu vergüten;
2. festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die von dem Kläger in der Zeit vom 1. Juli 2016 bis 19. November 2016 an den Tagen, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, zusätzlich erbrachte Arbeitszeit für das An- und Ablegen der Dienstuniform (Umkleiden) und das Auf- und Abrüsten mit den dem Kläger persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen (Rüsten) im Umkleideraum im Nebengebäude des Sowjetischen Ehrenmals im Umfang von insgesamt 8 Minuten (bestehend aus 4 Minuten vor dem offiziellen Dienstbeginn und 4 Minuten nach dem offiziellen Dienstende) sowie die aufgewendeten innerbetrieblichen Wegzeiten für den Weg zwischen dem Umkleideraum im Nebengebäude des Sowjetischen Ehrenmals und dem Ort des Dienstantritts am Schutzobjekt im Umfang von insgesamt 10 Minuten (bestehend aus 5 Minuten vor dem offiziellen Dienstbeginn und 5 Minuten nach dem offiziellen Dienstende) nach Maßgabe der tariflichen Vorschriften des TV-L nach der zutreffenden Entgeltgruppe des Klägers zu vergüten;
3. das beklagte Land wird verurteilt, dem Kläger auf seinem Zeitkonto weitere 9,74 Stunden für geleistete Mehrarbeit gutzuschreiben;
4. es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, bei Einsatz des Klägers unter Anwendung des Arbeitszeitmodells Metropolitan dessen Sollarbeitszeit bei der Zeiterfassung für jeden gesetzlichen Feiertag, sowie für den 24. Dezember und den 31. Dezember, sofern sie auf einen Werktag fallen und der Kläger dienstplanmäßig frei hat, um 7,07 Stunden zu reduzieren.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird für den Kläger hinsichtlich der Abweisung des Hilfsantrages zu 2. (Wegezeiten) und für das beklagte Land, soweit festgestellt worden ist, dass die innerbetrieblichen Wegezeiten als Arbeitszeit zu vergüten sind, und soweit festgestellt worden ist, dass das im häuslichen Bereich vorgenommene Umkleiden und das Laden und Entladen der Waffe als Arbeitszeit zu vergüten ist, zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der zweiten Instanz noch darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten zu vergüten, ferner besteht Streit über den Ausgleich von dienstfreien werktäglichen Feiertagen und Vorfeiertagen.
Das beklagte Land stellte den am ... 1966 geborenen Kläger mit Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 2005 (Anlage K1, Blatt 72 bis 73 der Akte) von diesem Tag an als vollbeschäftigten Angestellten - Wachpolizei - ein. Auf das Arbeitsverhältnis findet infolge arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Das beklagte Land zahlt dem Kläger Vergütung nach der Entgeltgruppe 5, Stufe 5 TV-L. In einem zwischen den Parteien beim Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 21 Ca 4543/15 geführten Rechtsstreit begehrt der Kläger Vergütung nach der Entge...