Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzanspruch auf Wechselschicht-Zusatzurlaub im öffentlichen Dienst

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die tariflichen Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD sind erfüllt, wenn der Arbeitnehmer durchgehend in Wechselschicht und damit im Wechsel von Früh-, Spät- und Nachschichten im Sinne des § 7 Abs. 1 TVöD tätig ist und regelmäßig die Wechselschichtzulage gemäß § 8 Abs. 5 TVöD bezieht; gemäß § 8 Abs. 5 TVöD erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, eine Wechselschichtzulage von 105 EUR monatlich.

2. Urlaubsansprüche, die tatbestandlich an die Erbringung bestimmter Tätigkeiten bis zum Ablauf eines Zeitraums anknüpfen, entstehen erst zum ersten Kalendertag des auf den Zeitraum folgenden Monats.

3. Sind Zusatzurlaubstage wegen Nichtgewährung seitens der Arbeitgeberin verfallen, hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch auf Ersatzzusatzurlaub.

4. Bei dem Anspruch auf Zusatzurlaub für geleistete Wechselschichtarbeit gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD handelt es sich um einen zusätzlichen Anspruch auf Urlaub; gemäß § 27 Abs. 5 TVöD gilt für den Zusatzurlaub § 26 TVöD mit Ausnahme von § 26 Abs. 2 Buchst. b (Regelung zur Zwölftelung des Urlaubsanspruchs bei Beginn oder Ende des Arbeitsverhältnisses im laufenden Jahr) entsprechend, wobei in § 27 Abs. 4 Satz 2 TVöD klargestellt ist, dass es sich bei dem Erholungsurlaub und dem Zusatzurlaub insgesamt um den "Gesamturlaub" eines Arbeitnehmers handelt.

5. Anders als etwa die in § 29 TVöD geregelte Arbeitsbefreiung bei bestimmten Anlässen ist der Ausgleich für geleistete Wechselschichtarbeit ausdrücklich als Urlaubsanspruch geregelt; aufgrund dieser Bezeichnung und der Verweisung in § 27 Abs. 5 TVöD auf § 26 TVöD ist klargestellt, dass es sich bei dem Zusatzurlaub um einen in das Urlaubsregime fallenden Urlaubsanspruch handelt, obwohl dessen Voraussetzungen anders als die Voraussetzungen für die Gewährung von Erholungsurlaub sind.

6. Anders als bei dem insgesamt zum Jahresanfang entstehenden Erholungsurlaub entsteht der Zusatzurlaub in Abhängigkeit von geleisteter Wechselschichtarbeit in jeweils zwei zusammenhängenden Monaten; deshalb entstehen die einzelnen Zusatzurlaubstage für geleistete Wechselschicht erst im Verlaufe des Urlaubsjahres und nicht bereits zu dessen Beginn.

7. Ab dem Zeitpunkt der Entstehung des jeweiligen Zusatzurlaubstages im laufenden Urlaubsjahr unterfällt der Zusatzurlaubsanspruch damit dem für den Erholungsurlaub geltenden Urlaubsregime mit der Folge, dass auch der Zusatzurlaubsanspruch mit Ablauf des Urlaubsjahres und damit des Kalenderjahres verfällt, sofern nicht ein Übertragungstatbestand vorliegt.

8. Für die tarifgerechte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Nichtgewährung von Zusatzurlaubstagen kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin ausdrücklich die Leistung von Schadensersatz verlangt; vielmehr genügt die Aufforderung, den tariflichen Urlaub zu gewähren.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 S. 2, § 249 Abs. 1; TVöD § 27 Abs. 1 Buchst. a), § 37; BGB § 280 Abs. 1 S. 1; TVöD § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 5, §§ 26, 27 Abs. 4 S. 2, Abs. 5, § 37 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 14.01.2015; Aktenzeichen 2 Ca 1255/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.11.2017; Aktenzeichen 6 AZR 43/16)

 

Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Oder vom 14.01.2015 - 2 Ca 1255714 - teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

I. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weiteren Zusatzurlaub für das Jahr 2013 von einem Tag und für das Jahr 2014 von sechs Tagen zu gewähren.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 7/10 und der Kläger zu 3/10 zu tragen.

III.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf tariflichen Zusatzurlaub gemäß § 27 TVöD.

Der Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 22.02.1995 seit dem 01.03.1995 zunächst befristet als Krankenpfleger im Pflegedienst bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einem als Eigenbetrieb des Landes Brandenburg geführten Kreiskrankenhaus, vollzeitig beschäftigt.

Der Arbeitsvertrag des Klägers regelte in Ziffer 2 das Folgende: "Das Arbeitsentgelt richtet sich nach den Lohngruppen des BAT - Ost. Im übrigen sind die für die Beschäftigungsstelle geltenden Tarifverträge und sonstigen Bestimmungen maßgebend."

Durch Änderungskündigung des Kreiskrankenhauses vom 15.03.1996 änderte das Kreiskrankenhaus ohne Bezugnahme auf die bis dahin geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen der Parteien den Arbeitsvertrag ab dem 01.04.1996 dahingehend ab, dass eine Tätigkeit als Krankenpfleger im Kreiskrankenhaus bei einer Vergütung in der Gehaltsgruppe Kr IV und einer Arbeitszeit von 40 Stunden unbefristet vereinbart wurde. Weiter enthält die Änderungskündigung, mit der der Kläger einverstanden war, die folgende Regelung: "Urlaub erhalten Sie nach den tarifrechtlichen B...

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