Entscheidungsstichwort (Thema)
Prämie für abgelehnten Verbesserungsvorschlag, Verhältnis der Fristen des diesbezüglichen Reklamationsverfahrens zu den tariflichen Ausschlussfristen
Leitsatz (redaktionell)
1. Feststellungen und Bewertungen paritätischer Kommissionen, die von den Betriebsparteien zur verbindlichen Beurteilung eingereichter Verbesserungsvorschläge eingerichtet sind, dürfen gerichtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob – inhaltlich – das Ergebnis offenbar unrichtig ist, oder – verfahrensmäßig – u.a. die Feststellungen grob unbillig zustande gekommen sind. Dazu gehören auch nur lückenhaft begründete Entscheidungen, wenn selbst der Fachmann das Ergebnis aus dem Zusammenhang nicht überprüfen kann oder nicht nachvollziehbar ist, welche Tatsachenfeststellungen die Kommission getroffen hat.
2. Das in einer Betriebsvereinbarung vereinbarte Reklamationsverfahren für Verbesserungsvorschläge kann einer tariflichen Ausschlussfrist vorgeschaltet sein.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 01.12.2005; Aktenzeichen 18 Ca 5101/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 01.12.2005 – 18 Ca 5101/05 – abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 17.043,06 Euro brutto (siebzehntausenddreiundvierzig 6/100) nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Nettobetrag seit dem 21.09.2004 zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht 9 AZN 169/07 trägt die Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche auf Prämienzahlung für einen im Jahre 2001 eingereichten Verbesserungsvorschlag.
Das langjährig bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers wurde wegen Inanspruchnahme von Altersrente zum 30.06.2001 beendet.
Die im Betrieb der Beklagten zu diesem Zeitpunkt geltende Betriebsvereinbarung über das Betriebliche Vorschlagswesen vom 14.11.1985 (Bl. 19 bis 25 d. A., künftig: BV) lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 3 Begriffsbestimmung
A.
Ein Verbesserungsvorschlag liegt dann vor, wenn eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand aufgezeigt wird und die Einführung der vorgeschlagenen Verbesserung zu Einsparungen führt.
…
Ein Vorschlag muss für den vorgeschlagenen Verwendungszweck oder -ort neu sein, … Ein Vorschlag gilt in diesem Sinne als neu, wenn er eine an sich bekannte Methode/Technik beschreibt, deren Einsatz jedoch zum Zeitpunkt der Einreichung des Verbesserungsvorschlags nicht geplant war. Die Planung muss anhand von Unterlagen belegt werden.
…
D.
Gruppenvorschläge sind grundsätzlich zulässig, sie sind von allen Einreichern zu unterschreiben. Ein Arbeitnehmer aus dieser Gruppe muß als Bevollmächtigter der Gruppe alle Rechte und Pflichten gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen.
Prämien werden zu gleichen Teilen unter alle an dem Vorschlag Beteiligten aufgeteilt und an die prämienberechtigten Beteiligten ausgezahlt.
…
§ 4 Organe des Betrieblichen Vorschlagwesens
…
B. Die dezentralen Tätigkeitsbereiche des BVW
Die dezentralen Tätigkeitsbereiche Betriebliches Vorschlagswesen sind verantwortlich für die administrative Bearbeitung der eingereichten Verbesserungsvorschläge. Sie haben folgende Aufgaben:
1. Sie können mit früher eingegangenen identische oder gemäß § 3 nicht zugelassene Vorschläge selbständig ablehnen.
…
2. Sie tragen die Verbesserungsvorschläge, bei denen die Voraussetzungen für eine Prämierung vorliegen oder vorliegen könnten, der zuständigen Bewertungskommission vor.
…
5. Sie informieren bei eindeutig negativen Stellungnahmen den Einreicher über die Ablehnung des Vorschlags.
…
C. Bewertungskommission
1. Für jeden dezentralen Tätigkeitsbereich Betriebliches Vorschlagswesen wird mindestens eine eigene Bewertungskommission gebildet.
…
5. Zuständigkeit
Die Bewertungskommission entscheidet über die Zuerkennung der Prämien für Verbesserungsvorschläge unter Berücksichtigung der vorliegenden Stellungnahmen und überprüft die Berechtigung von vorgetragenen Reklamationen.
…
§ 6 Prämienordnung
A.
Prämienberechtigung
1.
Voraussetzung für eine Prämienberechtigung ist die Durchführung eines Verbesserungsvorschlags.
2.
Vorschläge, die von der Gesellschaft mit Abänderung durchgeführt werden, haben sofern sie als richtungsweisend und ursächlich für die durchgeführte Maßnahme angesehen werden können, Anspruch auf eine Prämie auf der Basis des gesamten Ausmaßes der erzielten Verbesserung in Rahmen der übrigen Bedingungen dieser Vereinbarung.
3. a.
Wird während der Bearbeitung eines Verbesserungsvorschlages festgestellt, dass ein älterer identischer Vorschlag existiert, der noch innerhalb seiner Reklamationsfrist liegt, so ist der jüngere Vorschlag ohne Prämie abzulehnen.
…
5.
Eine Prämienberechtigung ist nicht gegeben, wenn die Idee der Gesellschaft bereits bei Einreichung des Verbesserungsvorschlags nachweislich für den vorgeschlagenen Verwendungszweck oder -ort bekannt war. Der Nachwe...