Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialkassenpflicht im Baugewerbe bei Vermietung von Baumaschinen mit Bedienungspersonal. Zulässige Berufung bei Wechsel der Rechtsgrundlage von der erstinstanzlich vorgetragenen Allgemeinverbindlicherklärung des maßgeblichen Tarifvertrages auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Sozialkassensicherungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine Klage auf Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes, die erstinstanzlich allein auf die Allgemeinverbindlicherklärung des entsprechenden Verfahrenstarifvertrages gestützt worden war, in der Berufungsinstanz nur noch auf das am 25. Mai 2017 in Kraft getretene Sozialkassensicherungsgesetz (SokaSiG) gestützt, entfällt dadurch nicht die für die Berufung erforderliche Beschwer. Es handelt sich nicht um die Aufgabe des erstinstanzlichen Streitgegenstands und die Einführung eines neuen Streitgegenstands (so schon LAG Berlin-Brandenburg vom 21.09.2017 - 21 Sa 1694/16 -).
2. Für die Frage, ob die Vermietung von Baumaschinen mit Bedienungspersonal unter die Nr. 39 des Abschn. V des § 1 Abs. 2 VTV fällt, kommt es nicht darauf an, ob das Mietunternehmen überwiegend Bauleistungen erbringt. Maßgeblich ist allein, dass die mit Bedienungspersonal vermieteten Baumaschinen vom Mietunternehmen für die Erbringung baulicher Leistungen eingesetzt werden.
Normenkette
SokaSiG § 7 Abs. 3; SoKaSiG § 7 Abs. 4-5; SokaSiG § 7 Abs. 6-7; VTV § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39; GG Art. 9 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3; SokaSiG § 11; VTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39; ZPO § 511 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 09.07.2015; Aktenzeichen 66 Ca 60088/15) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. Juli 2015 - 66 Ca 60088/15 verb. mit 66 Ca 60366/15 - abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.346,09 Euro zu zahlen.
II. Die Kosten der I. Instanz haben der Kläger zu 36,65 % und die Beklagte zu 63,35 % tragen. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft und als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren zuletzt noch über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für die Monate Januar 2011 bis einschließlich September 2014 in Höhe von insgesamt 14.346,09 Euro.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erklärte den für das Jahr 2011 maßgeblichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 18. Dezember 2009 (im Folgenden: VTV 2010) durch Bekanntmachung vom 25. Juni 2010 (BAnz. S. 2278) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 für allgemeinverbindlich, den für das Jahr 2012 maßgeblichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 18. Dezember 2009 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 21. Dezember 2011 (im Folgenden: VTV 2012) durch Bekanntmachung vom 3. Mai 2012 (BAnz. AT 22.05.2012 B4) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012, den für die erste Jahreshälfte 2013 maßgeblichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 18. Dezember 2009 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 21. Dezember 2011 und 17. Dezember 2012 (im Folgenden: VTV 2013-I) durch Bekanntmachung vom 29. Mai 2013 (BAnz. AT 07.06.2013 B5) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2013, den für die zweite Jahreshälfte 2013 maßgeblichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 3. Mai 2013 (im Folgenden: VTV 2013-II) durch Bekanntmachung vom 25. Oktober 2013 (BAnz. AT 04.11.2013 B2) mit Wirkung ab dem 1. Juli 2013 und den für das Jahr 2014 maßgeblichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 3. Mai 2013 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 3. Dezember 2013 (im Folgenden: VTV 2014) durch Bekanntmachung vom 17. März 2014 (BAnz. AT 19.03.2014 B1) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014.
Mit mehreren Beschlüssen vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15 - und vom 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 und 10 ABR 34/15 - hat das Bundesarbeitsgericht die Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV für die Jahre 2008 bis 2014 für unwirksam erklärt. Daraufhin wurde ein Gesetzgebungsverfahren zur Stützung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe initiiert. Am 13. Dezember 2016 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD einen entsprechenden Gesetzentwurf (BT Drucks. 18/10631) in den Deutschen Bundestag ein. Am 26. Januar 2017 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (Sozialkassensicherungsgesetz - SokaSiG). Nach Behandlung im Bundesrat am 10. Februar 2017 wurde das Gesetz am 24. Mai 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I S. 1210 ff.) und ist nach § 14 SokaSiG am 25. Mai 2017 ohne eine Übergangsvorschr...