Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Überstundenvergütung eines Kraftfahrers bei Beweisvereitelung durch die Arbeitgeberin. Unwirksame Fälligkeitsklausel bei unangemessen langer Frist zur Abrechnung der Monatsvergütung
Leitsatz (amtlich)
1. Obwohl der Arbeitgeber als Unternehmer gem. § 2a Satz 3 FPersV die sog. Kontrollunterlagen seines Fahrers nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist von einem Jahr bis zum 31.03. des Folgejahres zu vernichten hat, stellt es eine zumindest fahrlässige Beweisvereitelung dar, wenn er im Rahmen eines Rechtsstreits über die Zahlung von Überstundenvergütung die bevorstehende Vernichtung nicht dem Gericht angezeigt hat, nachdem sich beide Parteien auf diese Unterlagen bezogen hatten.
2. Die Regelung in einem Formularvertrag, wonach die Abrechnung der Monatsvergütung bis zum 25. des Folgemonats erfolgt, ist gemäß § 308 Nr. 1 Ts. 1 BGB unwirksam, weil sich der Arbeitgeber damit eine unangemessen lange Frist zur Erbringung seiner Leistung vorbehält.
Normenkette
BGB § 308 Nr. 1 Ts. 1, § 612 Abs. 1, § 616 S. 1; EFZG § 4 Abs. 1a; BUrlG § 11 S. 1; ZPO § 142 Abs. 1 S. 1, §§ 156, 286 Abs. 1 S. 1, § 321 Abs. 1, §§ 399, 444; FPersV § 2a; FPersV § 2a S. 3; BGB § 308 Nr. 1 Hs. 1, § 611 Abs. 1; EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 a S. 1, § 9 Abs. 1 S. 1; BUrlG § 11 Abs. 1 S. 1; ZPO § 138 Abs. 1, § 286
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 22.01.2013; Aktenzeichen 8 Ca 716/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 22.01.2013 - 8 Ca 716/12 - im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie es die Entscheidung im Versäumnisurteil vom 08.08.2012 über die Abweisung der Klage in Höhe von 849,35 € brutto nebst Zinsen hinaus aufrechterhalten hat, und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Versäumnisurteils verurteilt, an den Kläger 873,19 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf
143,16 € ab 25.09.2011,
123,69 € ab 25.11.2011,
88,35 € ab 25.03.2012 und
je 129,58 € ab 25.10. und 25.12.2011 und 25.01. und 25.02.2012
zu zahlen.
2. Die Kosten der Berufungsinstanz werden gegeneinander aufgehoben, während die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits dem Schlussurteil des Arbeitsgerichts vorbehalten bleibt.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger trat auf Grund eines Arbeitsvertrags vom 30.10.2004 (Bl. 5 - 8 GA) als Kraftfahrer in die Dienste des Beklagten. Darin war sein Bruttogrundlohn mit 1.022,58 € monatlich bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche vereinbart.
Mit Schreiben vom 01.09.2011 (Ablichtung Bl. 9 GA) bestätigte der Beklagte dem Kläger, eine regelmäßige Arbeitszeit von Montag bis Freitag in der Zeit von 06:30 bis 17:00 Uhr.
Seit August 2011 hatte der Kläger wegen Erkrankung seines Kindes, Urlaubs und eines Kuraufenthalts diverse Ausfallzeiten. Seit 09.01.2012 ist er durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger für die Zeit vom 01.08.2011 bis 21.02.2012 Vergütung von zwei Überstunden täglich sowie im Wege der Klagerweiterung Ersatz von Bearbeitungsgebühren für Rücklastschriften infolge Zahlungsverzugs des Beklagten.
Das Arbeitsgericht Berlin hat ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil aufrechterhalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe seiner Darlegungslast für die Leistung von Überstunden nicht genügt. Der Beklagte habe substantiiert bestritten, dass der Kläger seine Tour täglich dreimal gefahren sei, und dargelegt, dass der Kläger bestimmte Kunden nur ein- bis zweimal die Woche aufgesucht habe. Soweit der Kläger darauf verwiesen habe, seine Fahrtnachweise, Tageskontrollkarten und Monatsnachweise beim Beklagten abgegeben zu haben, verlagere dies nicht die Darlegungslast auf diesen. Aus der Bestätigung vom 01.09.2011 könne der Kläger nichts ableiten, weil von ihm nicht bestritten worden sei, dass dieses Schreiben auf seine Veranlassung erstellt worden sei, um sicherzustellen, dass sein Kind in der Kita länger betreut werde.
Gegen dieses ihm am 24.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 30.01.2013 eingelegte und am 25.03.2013, einem Montag, begründete Berufung des Klägers. Er meint, dass er seiner Darlegungslast genügt habe. Zum Beweis habe er sich auf seine dem Beklagten überreichten Tageskontrollkarten, Monatsnachweise und Fahrtennachweise berufen. Außerdem habe er seinen Teamleiter als Zeugen dafür benannt, seit August 2011 seine Tour dreimal täglich gefahren zu haben.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Änderung des angefochtenen Urteils und unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 08.08.2012 zu verurteilen, an ihn 1.722,54 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 270,94 € ab 25.09.2011, auf 247,26 € ab 25.11.2011, auf 167,70 € ab 25.03.2012 sowie auf je 259,16 € ab 25.10. und 25.12.2011 und 25.01. und 25.02.2012 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und bezieht sich auf...