Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschlechts- und Altersdiskriminierung. Unterlassungs- und Entschädigungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Verweist ein öffentlicher Arbeitgeber in einer Stellenausschreibung auf eine vorrangige Berücksichtigung von Frauen bei gleichwertiger Qualifikation und erfüllt damit die Vorgaben eines Landesgleichstellungsgesetzes, erwächst daraus keine geschlechtsbezogene Benachteiligung in der Stellenausschreibung. Dies gilt auch dann, wenn die Ausschreibung vom Gesetzestext abweicht.
2. Die Stellenausschreibung für ein „Trainee-Programm” für Hochschulabsolventen/Young Professionals, die sich ausdrücklich an Berufsanfänger richtet, mag eine altersbedingte Diskriminierung darstellen, ist aber jedenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
Normenkette
AGG §§ 3, 5-11, 15 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 20.05.2010; Aktenzeichen 59 Ca 19262/09) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.05.2010 – 59 Ca 19262/09 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Entschädigung wegen Geschlechts- und Altersdiskriminierung und einen Anspruch auf Unterlassung von Benachteiligungen.
Die Beklagte betreibt als Körperschaft des öffentlichen Rechts einen universitären Krankenhausbetrieb und hatte zur Deckung ihres künftigen Bedarfs an Nachwuchsführungskräften in der Verwaltung ein „Trainee-Programm” für Hochschulabsolventen/Young Professionals beschlossen, das ausdrücklich für Berufsanfänger vorgesehen war. Jährlich sollten zunächst zwei Bewerber rekrutiert und – nach einem dreimonatigen Praktikum in der Pflege – 21 Monate lang mit aufeinander abgestimmten Einsätzen in verschiedenen Geschäftsbereichen und Abteilungen ausgebildet werden. Flankiert werden sollte das Programm durch Fortbildungsveranstaltungen und Seminare. Die Beklagte schrieb deshalb im April 2009 in mehreren Zeitungsanzeigen zwei Stellen für das Trainee-Programm aus, indem sie das Konzept wie vorstehend beschrieb und die Anforderungen bezeichnete. Abschließend heißt es in der Ausschreibung:
„Die C. – Universitätsmedizin Berlin – trifft ihre Personalentscheidungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. (…). Außerdem streben wir eine Erhöhung des Anteils von Frauen an und fordern Frauen nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bei gleichwertiger Qualifikation werden Frauen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten vorrangig berücksichtigt.”
Der damals 36 Jahre alte Kläger, der über eine juristische Ausbildung mit zwei Staatsexamina verfügt, Berufserfahrung bei einer Rechtsschutzversicherung als Leiter einer 5-köpfigen Juristengruppe erworben hatte und inzwischen als Rechtsanwalt tätig war, bewarb sich mit Schreiben vom 11.04.2009 auf die Stellenausschreibung. Von den 310 Bewerberinnen und Bewerbern, die in getrennten Listen nach ihrem Geschlecht erfasst wurden und von denen ca. 2/3 weiblich waren, wurden insgesamt 29 zu einem Assessment-Center eingeladen, davon 18 Frauen und 11 Männer. Eingestellt wurden schließlich eine Frau und ein Mann. Unter dem 04.06.2009 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Absage, was diesen eine Benachteiligung wegen seines Alters und Geschlechts vermuten ließ und dazu veranlasste, die Beklagte mit Schreiben vom 02.08.2009 zur Unterlassung von Benachteiligungen von Bewerbern wegen ihres Alters und Geschlechts, zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von drei geschätzten Monatsgehältern sowie zur Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs aufzufordern. Nach ergebnislosem Verstreichen der gesetzten Frist hat der Kläger am 28.10.2009 die vorliegende Klage erhoben und folgende Anträge gestellt:
- die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Stellenbewerber im Auswahlverfahren für eine Stelle wegen des Alters und des Geschlechts zu benachteiligen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von 10.500,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2009.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.
Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Durch Urteil vom 20.05.2010 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Unterlassungsantrag sei bereits deshalb unbegründet, weil es sich um einen Globalantrag handele, der auch Fälle umfasse, in denen die Einschränkung des Bewerberkreises in einer Stellenausschreibung gerechtfertigt sein könnte. Die Ansprüche auf Schadenersatz bzw. Entschädigu...