Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer Belehrung nach § 613a Abs. 5 BGB. kein Hinweis auf VV-Prämie. Unwirksame Belehrung über die wirtschaftlichen Folgen des Betriebsübergangs bei fehlendem Hinweis auf prämienbegünstigtes Ausscheiden
Leitsatz (amtlich)
1. Die Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB wird nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB in Lauf gesetzt.
2. Auch über das Recht zum Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses ist als rechtliche Folge nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB zu informieren (vgl. BAG 13. Juli 2006 - 8 AZR 305/05 - AP Nr. 312 zu § 613a BGB =
NJW 2007, 246 = NZA 2006, 1268 = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 56, Rn. 33). Der Sinn der Unterrichtungspflicht besteht darin, den betroffenen Arbeitnehmern eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung ihres Widerspruchsrechts zu verschaffen (vgl. BAG 20. März 2008 - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354 = EzA-SD 2008, Nr. 18, 8, Rn. 33).
Normenkette
BGB §§ 613 a, 613a Abs. 5 Nrn. 3-4, Abs. 6 S. 1; ZPO § 138 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 27.02.2012; Aktenzeichen 58 Ca 896/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.02.2012 - 58 Ca 896/12 - abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. August 2011 hinaus fortbesteht.
2. Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wegen nicht ordnungsgemäßer Belehrung noch nach Ablauf der Monatsfrist des § 613a Abs. 6 BGB wirksam widersprechen konnte.
Das beklagte Land unterrichtete die Klägerin mit Schreiben vom 27. Juni 2011 über die vorgesehene Ausgründung der städtischen Pflegeeinrichtung Tempelhof, in der sie die Klägerin zu diesem Zeitpunkt beschäftigte. Auf Seite 3 des Schreibens heißt es u.a.:
"Widersprechen Sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses, kann dies zur Folge haben, dass Sie zum Zentralen Personalmanagement (Stellenpool) versetzt werden müssen, wenn freie Stellen Ihrer Fachrichtung bei uns nicht mehr zur Verfügung stehen. Weiterhin können betriebsbedingte Kündigungen unter Berücksichtigung der jeweiligen einzelvertraglichen Bedingungen nicht ausgeschlossen werden, da noch nicht absehbar ist, inwieweit sich andere Beschäftigungsmöglichkeiten im Land Berlin ergeben könnten."
Für den sog. Personalüberhang sieht das Stellenpoolgesetz des Landes Berlin folgende Regelung vor:
"§ 1 Organisation, Zuständigkeit
(1) Das Zentrale Personalüberhangmanagement (Stellenpool) ist eine der Senatsverwaltung für Finanzen nachgeordnete Behörde. Ihr werden diejenigen Dienstkräfte unterstellt, deren Beschäftigung durch den Wegfall von Aufgaben oder die Verlagerung von Aufgaben auf andere Dienstkräfte in ihrer Dienstbehörde nicht mehr möglich ist. Das Zentrale Personalüberhangmanagement (Stellenpool) ist Dienstbehörde und Personalstelle für die Personalüberhangkräfte der Berliner Verwaltung (§ 2 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes).
(2) Dienstkräfte, die von den Dienstbehörden oder Personalstellen dem Personalüberhang zugeordnet worden sind, sind Personalüberhangkräfte. Das Zentrale Personalüberhangmanagement (Stellenpool)und die Dienstkräfte sind von der Zuordnung schriftlich zu unterrichten. Die Personalüberhangkräfte werden zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) versetzt. Die Versetzung dient einem dienstlichen Bedürfnis."
§ 2 Aufgabe
(1) Aufgabe der Behörde ist es, im gesamtstädtischen Interesse Berlins den Abbau des Personalüberhangs durch ein zentrales Personalüberhangmanagement zu fördern und die Personalüberhangkräfte entsprechend ihrem bisherigen statusrechtlichen Amt oder ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarung zu beschäftigen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe obliegen der Behörde ausdrücklich
1. die Vermittlung der Personalüberhangkräfte auf freie Stellen,
2. die Maßnahmen zur Fortbildung und Umschulung,
3. die Organisation des zeitlich begrenzten Einsatzes von Personalüberhangkräften (Übergangseinsätze), soweit dies zur vorübergehenden Unterstützung bei der Aufgabenerfüllung der Behörden der Berliner Verwaltung (Einsatzbereich) erforderlich ist.
(2) Zur Erfüllung ihrer Aufgabe bedient sich die Behörde der dienstrechtlich zulässigen Handlungsformen.
(3) Die Dienststellen des Landes Berlin melden dem Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) unverzüglich die dauerhaft oder befristet besetzbaren Stellen sowie die für Übergangseinsätze geeigneten Aufgabengebiete."
Ergänzend gibt es eine Verwaltungsvorschrift, die sog. VV-Prämie, in der es u.a. heißt:
"Präambel
...
§ 1 Voraussetzungen und Geltungsbereich der Regelung
(1) Die Regelung gilt ausschließlich für Dienstkräfte des Landes Berlin, die in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis oder in einem Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Lebenszeit stehen und gemäß § 1 Abs. 2 Stellenpoolgesetz (StPG) dem Personalüberhang zugeordnet und zum Zentralen Per...