Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Sicherheitsfachkraft auf dem Gelände eines Atomforschungsreaktors nach dem Entgelttarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen Berlin und Brandenburg
Leitsatz (amtlich)
Der Anhang "Kerntechnische Anlagen" zum Entgelttarifvertrag Sicherheitsdienstleistungen gilt nicht nur für den Objektsicherungsdienst.
Normenkette
ETV Sicherheitsdienstleistungen Anh. KTA; BGB § 611a Abs. 2; ETV Sicherheitsdienstleistungen Anh. KTA § 3 Nr. 1.4
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 18.02.2016; Aktenzeichen 24 Ca 7416/15) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. Februar 2016 - 24 Ca 7416/15 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
III. Der Gebührenwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.574,78 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers als Mitarbeiter an einer kerntechnischen Anlage und die daraus resultierenden tarifvertraglichen Vergütungsansprüche in der Zeit von Januar 2015 bis Juni 2015.
Der Kläger ist 57 Jahre alt (geb. ..... 1958) und seit dem 1. April 1989 bei der Beklagten als Sicherheitsfachkraft beschäftigt. Er ist zum Führen einer Waffe berechtigt und nimmt regelmäßig an Schießübungen und am Betriebssport teil. Der Kläger wird als Wachleiter im H.-Zentrum Berlin (im Folgenden: HZB) eingesetzt.
Die Beklagte erbringt für das HZB, zuletzt nach einer Ausschreibung vom 13. Juni 2014 für die Zeit ab dem 1. Januar 2015, Sicherheitsdienstleistungen am Standort des HZB in Berlin-Wannsee. Dort befindet sich neben zahlreichen weiteren Gebäuden der Kernforschungsreaktor BER II. Die Rechtsvorgängerin des HZB erhielt gemäß § 7 des Atomgesetzes (AtG) mit Bescheid vom 8. Juni 1972 eine Genehmigung zur Errichtung des Forschungsreaktors, Teilgenehmigungen wegen Änderungen des Forschungsreaktors wurden mit Bescheiden vom 15. August 1985 und vom 26. Oktober 1988 erteilt. Die Genehmigung schließt neben der Reaktoranlage selbst auch die zur Reaktoranlage gehörigen Einrichtungen, insbesondere der Experimentiereinrichtungen und des Lagers für bestrahlte Brennelemente ein. Dazu gehören unstreitig auch die Versuchshallen, die Kühltürme und die Maschinenhäuser.
Die Beklagte beschäftigt auf dem Gelände des HZB in Berlin-Wannsee insgesamt 42 Mitarbeiter, davon 27 im sogenannten Objektsicherungsdienst und die übrigen Mitarbeiter als sogenanntes Institutswachpersonal. Nach den Ausschreibungsbedingungen für die Sicherheitsdienstleistungen muss das Institutswachpersonal über die gleiche Qualifikation verfügen wie die Mitarbeiter im Objektsicherungsdienst, um im Bedarfsfall auch in diesem Bereich eigesetzt werden zu können.
Auf das Arbeitsverhältnis findet der Entgelttarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen Berlin und Brandenburg vom 10. März 2014 (im Folgenden: ETV) Anwendung. Dieser ist einschließlich seiner ebenfalls vom 10. März 2014 stammenden fünf Anhänge, u.a. des Anhangs "Kerntechnische Anlagen" (im Folgenden: Anhang KTA zum ETV) allgemeinverbindlich. Nach dem ETV selbst beträgt der Stundenlohn für die Tätigkeit des Klägers im Streitzeitraum 9,40 EUR brutto, nach dem Anhang KTA zum ETV 14,45 EUR. Die Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeiten betragen nach dem ETV selbst 10%, 25% und 50%, nach dem Anhang KTA zum ETV 20%, 50% und 100%. Räumlich erstrecken sich sowohl der Geltungsbereich des ETV selbst wie der seiner Anhänge auf die Länder Berlin und Brandenburg. Fachlich gilt der ETV selbst nach dessen § 1 insbesondere für alle Betriebe, die Sicherheitsdienste oder Kontroll- und Ordnungsdienste für Dritte erbringen. Der Anhang KTA zum ETV gilt fachlich nach dessen § 1 für alle Sicherheitsdienstleistungen an und in Kerntechnischen Anlagen, die in den Geltungsbereich einer Genehmigung nach den §§ 5, 6, 7 und 9 Atomgesetz (AtG) fallen. Persönlich gilt der Anhang KTA zum ETV für alle Arbeitnehmer, die im fachlichen Geltungsbereich des Anhangs KTA zum ETV tätig sind.
Im § 2 des Anhangs KTA zum ETV vom 10. März 2014 wird unter der Überschrift "Begriffsbestimmungen und Definition" nur zwischen Sicherheitsmitarbeitern und Diensthundeführern unterschieden. Nach der Definition in § 2 Nr. 1 des Anhangs KTA zum ETV vom 10. März 2014 sind Sicherheitsmitarbeiter Mitarbeiter, die in einer kerntechnischen Anlage tätig sind, auf Grund ihrer besonderen Ausbildung zum Dienst in einer solchen eingesetzt werden und durch den Auftraggeber zugelassen sind.
Im § 3 des Anhangs KTA zum ETV vom 10. März 2014 folgt unter der Überschrift "Stundenlöhne" eine Tabelle. In dieser ist in der ersten Spalte der ersten Zeile "Lohngruppe/Tätigkeit" angegeben, in der zweiten Zeile ist in den Spalten 2-5 der jeweilige Gültigkeitsbeginn der Stundensätze mit "ab 01.01.2014", "ab 01.07.2014", "ab 01.01.2015" und "ab 01.01.2016" angegeben. In der 3. Zeile folgt in den Spalten 1 und 2 die Angabe "1. Objektsicherungsdienst", darunter in Spalten 1 und 2 der Zeilen 4...