Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung eines Rechtsgeschäfts wegen fehlender Vollmachtsurkunde des Bevollmächtigten. Zurückweisung eines Rechtsgeschäfts auch bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts wegen fehlender Vollmacht eines Gesellschafters. Notwendige Information des Vollmachtgebers über die Bevollmächtigung. Unverzügliche Zurückweisung einer Kündigungserklärung. Treuwidrigkeit der Zurückweisung eines einseitigen Rechtsgeschäfts. Einheitliches Arbeitsverhältnis mehrerer Arbeitgeber und gesamtschuldnerische Haftung
Leitsatz (amtlich)
1. § 174 BGB findet auf die Kündigung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch einen Gesellschafter dieser Gesellschaft entsprechende Anwendung. Soweit die Gesellschaft nicht durch alle Gesellschafter handelt, liegt auch bei Teilnahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts am Rechtsverkehr eine Situation vor, die der des § 174 BGB entspricht.
2. Das In-Kenntnis-Setzen von einer Bevollmächtigung nach § 174 Satz 2 BGB erfordert grundsätzlich eine Information durch den Vollmachtgeber über die Bevollmächtigung.
3. Eine Vereinbarung einer Gesamtarbeitszeit für vier Gesellschaften bei variabler Verteilung der Arbeitszeit auf diese Gesellschaften nach betrieblichen Bedürfnissen kann ein einheitliches Arbeitsverhältnis mehrerer Arbeitgeber begründen.
Normenkette
BGB § 174 Sätze 1-2, § 180 Sätze 1-2, § 615; TzBfG § 12; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 11.10.2017; Aktenzeichen 12 Ca 15780/16) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Oktober 2017 - 12 Ca 15780/16 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. November 2016 nicht aufgelöst wurde.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 391,36 Euro brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12. Mai 2017 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.750,00 Euro brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12. Mai 2017 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.
III. Die Revision wird für die Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Kündigungen und Entgeltansprüche.
Die Beklagte betreibt als Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Verwaltung des Mietobjekts T.straße 175. Die Klägerin erhielt über eine studentische Arbeitsvermittlung einen Kontakt zur Vorstellung bei der "P. A. 189 Berlin GbR, T.str. 175, 10115 Berlin" für eine Tätigkeit als "Aushilfe für Vermietung". In einem von Herrn von J. Ende Juni 2016 geführten Bewerbungsgespräch bot dieser der Klägerin an, für vier Grundstücksgesellschaften - neben der Beklagten die P. A. 189 Berlin GbR, die T.straße 96 Berlin GbR und die S.A. 20B Berlin GbR - mit vier Arbeitsverträgen zu arbeiten.
Am 30. Juni 2016 hielt Herr von J. in dem Vermittlungsformular der studentischen Arbeitsvermittlung handschriftlich fest:
11,50 € pro Std,
Prämie von 1,75 € pro Stunde
unter gewissen Bedingungen auszahlbar am Ende des Beschäftigung
Zuschuß zu Fahrgeld soweit € 44 steuerfrei --≫ geht von Prämie runter
unter Vorbehalt eines Arbeitsvertrages
30.6.16 [Unterschrift]
Im Folgenden erbrachte die Klägerin an einem Büroarbeitsplatz Arbeitsleistungen für alle vier Grundstücksverwaltungsgesellschaften und führte Besichtigungstermine mit Interessenten durch. Die Arbeitszeit wurde objektbezogen zugeordnet und abgerechnet.
Herr von J. legte der Klägerin einen arbeitgeberseitig noch nicht unterzeichneten Entwurf eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit der Beklagten datierend 11. Juli 2016 vor, in dem es u.a. heißt (s. i.E. Bl. 13-18 d.A.):
"1. Die Probezeit beträgt 6 Monate. Während der Probezeit wird Urlaubssperre vereinbart. Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen, d.h. Während der Probezeit 2 Wochen.
2. Eine Woche bei Vollzeitarbeit umfaßt normalerweise 42,5 Arbeitsstunden, d.h. ein Arbeitstag 8,5 Arbeitsstunden. Es können an einem Arbeitstag auch über 8,5 Stunden hinaus zeitliche Mehrbelastungen auftreten, nach sachlichen Notwendigkeiten oder nach Weisung durch den Arbeitgeber.
...
4. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Arbeitskraft ganz dem Arbeitgeber zu widmen, soweit er nicht einer genehmigten weiteren beruflichen Tätigkeit nachgeht. Jede berufliche Tätigkeit bedarf der schriftlichen Genehmigung durch den Arbeitgeber. Diese wird hiermit für ein Arbeitsverhältnis bei der P. A. 189 Berlin GbR, ein Arbeitsverhältnis bei der T.straße 96 Berlin GbR, ein Arbeitsverhältnis bei der S. A. 20B Berlin GbR sowie für ein Arbeitsverhältnis bei der B. Lauleitungs- und Immobilien-Dienstleistungs GmbH (die "Anderen Arbeitgeber...