Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehung des Urlaubsanspruchs während eines vereinbarten unbezahlten Sonderurlaubs
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach § 1 BUrlG entsteht auch während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines vereinbarten unbezahlten Sonderurlaubs.
Normenkette
BUrlG §§ 1, 7 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 09.01.2012; Aktenzeichen 58 Ca 18678/11) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 09. Januar 2012 - 58 Ca 18678/11 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.949,90 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über den Basiszinssatz seit dem 01. Dezember 2011 zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 30. September 2011. Im Jahr 2010 belief sich das Jahresbruttoentgelt der Klägerin auf 33.798,23 Euro. Auf die Gehaltsabrechnung für den Dezember 2010 (Anlage K1, Bl. 7 der Akte) wird Bezug genommen.
Auf einen Antrag der Klägerin gewährte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 "antragsgemäß nach § 28 Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Charité- Universitätsmedizin Berlin (TV Charité) Sonderurlaub unter Fortfall des Entgelts/der Vergütung für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011". Auf den Inhalt des Schreibens wird im Übrigen verwiesen (Anlage B1, Bl. 50 der Akte). Die Parteien vereinbarten später ein weiteres Ruhen des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 2011. In der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. September 2011 wurde der Klägerin kein Erholungsurlaub gewährt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. November 2011 (Anlage K2, Bl. 9 bis 10 der Akte) forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr eine Urlaubsabgeltung für 15 Urlaubstage in Höhe von 1.979,17 Euro brutto zu zahlen. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 28. November 2011 (Anlage K3, Bl. 12) unter Berufung auf die Kürzungsmöglichkeit gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. c des TV-Charité ab.
Mit ihrer am 7. Dezember 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 14. Dezember 2011 zugestellten Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.949,90 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem vorgenannten Betrag seit dem 1. Dezember 2011 zu zahlen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stehe ein Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs im Umfang von 15 Tagen trotz des vereinbarten Ruhens des Arbeitsverhältnisses in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. September 2011 zu.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Klägerin sei in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. September 2011 Sonderurlaub ohne Vergütung gewährt worden.
Nachdem die Parteien in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht übereinstimmend um eine Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden gebeten hatten, hat das Arbeitsgericht durch Urteil vom 9. Januar 2012 die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch, da sie wegen des ruhenden Arbeitsverhältnisses im Jahr 2011 keinen Urlaubsanspruch gegen die Beklagte erworben habe. Es fehle während des Ruhens an einem Austauschverhältnis, aus dem Urlaubsansprüche erwachsen könnten. Die Urlaubsgewährung verbunden mit der Fortzahlung der Vergütung sei Teil der Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers.
Gegen dieses der Klägerin am 17. Januar 2012 zugestellte Urteil hat diese mit beim Landesarbeitsgericht am 2. Februar 2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und begründet.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung zusammengefasst vor: Bei der Pflicht zur Urlaubsgewährung handele es sich nicht um eine Hauptpflicht des Arbeitgebers, sondern nur um eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Diese Nebenpflicht sei aufgrund der Unabdingbarkeitsregelung in § 13 Abs. 1 BUrlG gerade nicht suspendiert. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des BUrlG. Der Urlaubsanspruch entstehe auch, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeite. Dies habe der EuGH entschieden und entspreche der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Es bestehe auch keine hier eingreifende gesetzliche Grundlage für eine Kürzung des Urlaubsanspruchs. Eine analoge Anwendung von Kürzungsnormen sei dogmatisch nicht begründbar. Die tarifliche Kürzungsmöglichkeit könne nicht den gesetzlichen Mindesturlaub erfassen.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
unter Abänderung des am 9. Januar 2012 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Berlin, Aktenzeichen 58 Ca 18678/11, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.949,90 Euro brutto nebst fünf ...