Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ablösung einer Gratifikationsregelung (Jubiläumsgeld) durch betriebliche Altersversorgung
Leitsatz (amtlich)
1) Die GBV Nr. 19 (betriebliche Altersversorgung) kann nicht dahin ausgelegt werden, dass durch sie Ansprüche der Belegschaftsmitglieder aus betrieblicher Übung auf Treue- und Jubiläumsgelder abgelöst werden sollten.
2) Auf die Frage, ob die betriebliche Übung über die Zahlung von Treue- und Jubiläumsgeldern betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet war oder die GBV Nr. 19 im Rahmen eines Günstigkeitsvergleichs die dazu entwickelten Grundsätze erfüllt hätte, wäre es nur angekommen, wenn durch die Betriebsvereinbarung die betriebliche Übung hätte abgelöst werden sollen.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 4; betriebliche Übung; Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 19 – Pensionsplan Bombardier Transportation Deutschland v. 12.12.2007 (GBV Nr. 19)
Verfahrensgang
ArbG Neuruppin (Urteil vom 11.02.2010; Aktenzeichen 3 Ca 1477/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 11.02.2010 – 3 Ca 1477/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Jubiläumsgeldes angesichts des 25-jährigen Dienstjubiläums des Klägers.
Der Kläger ist seit 1984 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen in deren Betrieb in H. beschäftigt.
1994 übersandte die damalige Muttergesellschaft der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Musterbetriebsordnung mit der Maßgabe, in ihren Betrieben entsprechende Betriebsvereinbarungen abzuschließen. Der Betriebsrat des Betriebs H. unterzeichnete die ihm angebotene Betriebsvereinbarung nicht. Gleichwohl gewährten sowohl die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten als auch die Beklagte den Belegschaftsmitgliedern des Betriebs in H. Leistungen, die den Regelungen der Musterbetriebsordnung entsprachen, ua. ein mit der Abrechnung für den Monat Mai zu zahlendes Treuegeld und zum 25., 40. und 50. Betriebsjubiläum jeweils ein Jubiläumsgeld.
Im Juni 2003 schrieb die Beklagte an den Betriebsratsvorsitzenden:
„Kündigung der A.-Betriebsordnung
Die unterschiedlichen Regelungen unserer freiwilligen Sozialleistungen führen in ihrer kaum noch zu überblickenden Vielfalt zu einer nicht mehr hinnehmbaren Ungleichbehandlung unserer Mitarbeiter an den B. Standorten. Es ist das erklärte Ziel von B., ein Sozialleistungssystem zu installieren, welches den Anforderungen der heutigen Arbeitswelt und den Bedürfnissen der Mitarbeiter besser Rechnung trägt. Aus diesem Grunde sehen wir uns gezwungen, die oben genannte Betriebsvereinbarung fristgemäß zum 31. Dezember 2003 zu kündigen.”
Ab Januar 2004 wandte die Beklagte die „Musterbetriebsordnung” nicht mehr flächendeckend an. Sie zahlte an die Arbeitnehmer des Betriebs H. Treue- und Jubiläumsgelder allenfalls noch in Ausnahmefällen bzw. nach Verurteilung.
Ein Teil der Belegschaft klagte im Jahre 2004 und in den Folgejahren auf Zahlung der Treuegelder und der Jubiläumszahlungen. Mit Urteilen vom 28. Juni 2006 (10 AZR 385/05) und vom 28. März 2007 (10 AZR 720/05) gab das Bundesarbeitsgericht den Klägern Recht.
Am 1. Januar 2008 schlossen die Beklagte und der bei ihr bestehende Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 19 (GBV Nr. 19). Darin vereinbarten sie die Neuregelung einer betrieblichen Altersversorgung. Unter Nr. 2.3 Satz 2 der GBV Nr. 19 heißt es:
„Für Mitarbeiter mit Versorgungsanwartschaft basierend auf Dienstzeiten bis zum 31. Dezember 2007 gilt diese Gesamtbetriebsvereinbarung, soweit die bestehende Versorgungsanwartschaft entsprechend der mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Übergangsregelungen (Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 20 „Überleitung” vom gleichen Tage) integriert wird.”
Hintergrund für die Übergansregelung war eine Kündigung und Schließung einer früheren Versorgungsregelung für Neueintritte zum 31. Dezember 1997 und eine weitere Regelung für die bereits zuvor beschäftigten Belegschaftsmitglieder in der Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 10 (GBV Nr. 10) vom 8. April 1998. In der Präambel der GBV Nr. 10 heißt es:
„Die schlechte wirtschaftliche Lage der A. (D) wurde in 1997 zum Anlass genommen, die Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung einseitig zu kündigen. Die A. hat jedoch die feste Absicht, die betriebliche Altersversorgung in einem neuen, harmonisierten System wieder aufzunehmen. Die Basis hierfür soll durch die folgende einvernehmliche Regelung gelegt werden, die den mit der Kündigung festgelegten Anspruch zum 31. Dezember 1997 bestätigt, die aber während der Übergangszeit Zuwächse noch nach den alten Versorgungsregelungen in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage der A. (D) zulässt.”
Der Kläger machte angesichts seiner 25-jährigen Betriebszugehörigkeit mit Schreiben vom 5. Oktober 2009 seinen Anspruch auf ein Jubiläumsgeld geltend und verfolgt diesen – nach Ablehnung durch die Beklagte – mit seiner am 5. November 2009 erhobenen Klage weiter.
Er hat sic...