Entscheidungsstichwort (Thema)
vorzeitiger Austritt aus dem AG-Verband aufgrund entsprechender Satzungsermächtigung „Blitzaustritt”)
Leitsatz (amtlich)
1. Unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedschaft in einer tarifvertragschließenden Koalition beendet werden kann, richtet sich zunächst nach der Satzung i.V.m. den vereinsrechtlichen Bestimmungen, insbes. § 39 BGB.
2. Eine Satzungsermächtigung zum vorzeitigen Austritt von Mitgliedern ist wirksam und verletzt nicht nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Interessen des Tarifpartners
Normenkette
Tarifvertragsgesetz § 3; BGB § 39
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 30.08.2006; Aktenzeichen 60 Ca 19109/05) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. August 2006 – 60 Ca 19109/05 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger für das Jahr 2004 eine Sonderzuwendung zu zahlen.
Der Kläger war auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverträge seit dem 17. Februar 2002 bei der Beklagten als studentische Hilfskraft beschäftigt. Im ersten Arbeitsvertrag, der für die Zeit vom 17.01.2002 bis zum 16.1.2004 abgeschlossen worden war (Bl. 13 d.A.), wurde die Geltung des Tarifvertrages für studentische Hilfskräfte II (TVStud II) vom 24. Februar 1986 mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen vereinbart. Dieser Tarifvertrag war zwischen dem Arbeitgeberverband VAdöD Berlin, dessen Mitglied die Beklagte war, und der Gewerkschaft Ver.di, deren Mitglied der Kläger seit Dezember 2004 war, abgeschlossen worden. Er enthält in § 11 die Vereinbarung einer Zuwendung in sinngemäßer Anwendung des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973. Der Tarifvertrag über eine Zuwendung von Angestellten vom 12.10.1973 (Zuwendungstarifvertrag) wurde von der TdL zum 30. Juni 2003 gekündigt. Am 15. Mai 2003 vereinbarten die Tarifvertragsparteien rückwirkend mit Wirkung zum 31. Januar 2003 Tarifverträge zur Änderung der Zuwendungstarifverträge West und Ost.
In den folgenden Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag des Klägers, die unter dem Datum vom 17.12.2003 (Bl. 16 d.A.), vom 29.07.2004 (Bl. 15 d.A.) und vom 03.01.2005 (Bl. 13 d.A.) unterzeichnet wurden, heißt es zur Anwendbarkeit tariflicher Bestimmungen u.a.:
Das Beschäftigungsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte (TV StudII) in der am 7. Januar 2003 für die F.U. Berlin geltenden Fassung… Der gekündigte Tarifvertrag über eine Zuwendung findet keine Anwendung. Eine Zuwendungszahlung erfolgt nicht…
Am 7. Januar 2003 beschloss der Vorstand des VadöD, für die Hochschulen des Landes Berlin die Möglichkeit des Austritts ohne Einhaltung einer Austrittsfrist als Ausnahme von der Satzung zuzulassen (vgl. Ablichtung des Protokolls Bl. 79 u. 80 d.A.). Ob zu diesem Zeitpunkt dem Vorstand bereits Anträge der Berliner Universitäten auf Genehmigung eines vorzeitigen Austritts vorlagen – so die Beklagte –, ist zwischen den Parteien streitig. Mit Schreiben vom 10. Januar 2003 erklärte die Beklagte daraufhin gegenüber dem Verband ihren Austritt mit sofortiger Wirkung (Bl. 81 d.A.). Die Satzung des VAdöD (Bl. 74-78 d.A.) regelt in ihrem § 6 „Erlöschen der Mitgliedschaft durch Austrittserklärung des Mitglieds” folgendes:
(1) Die Mitgliedschaft erlischt durch schriftliche Austrittserklärung des Mitglieds gegenüber dem Vorstand.
(2) Der Austritt ist nur zulässig zum Schluss eines Kalendermonats unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist. Über Ausnahmen entscheidet der Vorstand. …
Mit Schreiben vom 26.Januar 2005 (Bl. 17 d.A.) machte der Kläger die Zahlung einer Zuwendung nach § 11 des TV Stud II für das Jahr 2004 in Höhe von 360,76 EUR geltend. Die Beklagte zahlte daraufhin an den Kläger auf der Grundlage des zunächst bis zum 16. Januar 2004 befristeten Arbeitsvertrages 1/12 der Zulage (30,06 EUR) aus.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der arbeitsvertragliche Ausschluss des Anspruchs auf eine Sonderzuwendung sei unwirksam, da der Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband nicht wirksam zum 10. Januar 2003 habe erfolgen können. Ein außerordentliches Kündigungsrecht habe der Beklagten nicht zugestanden. Noch während ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband sei der neue TV Sonderzuwendung unterzeichnet worden, an den sie nach § 3 Abs. 3 TVG gebunden sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30. August 2006, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es fehle die beiderseitige Tarifgebundenheit der Parteien. Die Beklagte sei wirksam durch Erklärung vom 10. Januar 2003 mit sofortiger Wirkung aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten. Eines wichtigen Grundes für die sofortige Beendigung der Mitgliedschaft habe es ...