Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltungsansprüche bei Sonderurlaub und falschen Angaben des beklagten Landes zu bestehenden Urlaubsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
Der Urlaubsanspruch nach § 1, 3 Abs. 1 BurlG entsteht auch während vereinbarten Sonderurlaub und einem aus diesem Grund ruhendem Arbeitsverhältnis (Anschluss BAG, Urteil vom 06. Mai 2014 - 9 AZR 678/12 -, BAGE 148, 115-122, Rn. 12).
Dieser Urlaub erlischt gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 BurlG mit Ablauf des Kalenderjahres. Die Vereinbarung von Sonderurlaub begründet keinen Übertragungstatbestand gem. § 7 Abs. 3 S. 2 BurlG. Eine weitergehende Übertragung von Urlaubsansprüchen im Falle von Sonderurlaub ist auch nicht aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben geboten.
Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der Arbeitgeber bei einer möglichen Gewährung von zustehenden Urlaub im Urlaubsjahr zur Vermeidung von Schadensersatzpflichten zu einer Zuweisung von Urlaub auch ohne entsprechenden Antrag verpflichtet ist.
Jedenfalls kann sich ein Arbeitgeber, der im Rahmen eines Verfahrens zur Urlaubserteilung unzutreffende Angaben zu bestehenden Urlaubsansprüchen macht und so eine mögliche rechtzeitige Beantragung zustehenden Urlaubs zumindest erschwert, nicht auf einen Verfall der Urlaubsansprüche berufen.
Normenkette
BUrlG § 1; BurlG §§ 3, 7 Abs. 3, 1, § 13 Abs. 1; TV-L § 26 Abs. 2 Buchst. c); GRC Art. 31 Abs. 2; BGB § 162; BUrlG § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 3 Sätze 1-2; EGRL 88/2003 Art. 7 Abs. 1 Fassung: 2003-11-04
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 20.09.2017; Aktenzeichen 60 Ca 406/17) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. September 2017 - 60 Ca 406/17 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen und unter Zurückweisung der Anschlussberufung teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 2.329,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Januar 2017 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz haben die Klägerin zu 2/3 und das beklagte Land zu 1/3 zu tragen.
III. Die Revision wird für die Klägerin und das beklagte Land zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche.
Die Klägerin war bis 31. Dezember 2016 beim beklagten Land gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 3.365,75 Euro tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fanden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die für das beklagte Land geltenden Tarifverträge Anwendung. Für die Zeit vom 1. November 2012 bis 30. Oktober 2015 gewährte das beklagte Land der Klägerin auf ihren Antrag Sonderurlaub. Während dieser Zeit war die Klägerin teilweise mit Genehmigung des beklagten Landes als Tagesmutter tätig.
Im November 2015 übergab das beklagte Land der Klägerin eine Urlaubskarte. Hiernach beträgt der Urlaubsanspruch für das laufende Jahr 2015 fünf Urlaubstage. Weiterer Zusatzurlaub oder Resturlaub aus 2014 besteht nach den Angaben in den hierfür vorgesehenen Zeilen nicht (s. Bl. 5 d.A.). Auf Antrag der Klägerin wurden ihr 2015 fünf Tage Urlaub gewährt.
Durch E-Mail vom 1. Juli 2016 und vom 7. Juli 2016 wies die Klägerin auf die Rechtsprechung zu gesetzlichem Mindesturlaub nach unbezahltem Sonderurlaub hin und bat um Übertragung bzw. Gewährung der entsprechenden Tage. Mit Anwaltsschreiben vom 26. Oktober 2016 verlangte die Klägerin die Abgeltung von 20 Tagen für das Jahr 2014 sowie verbleibender 25 Tagen für das Jahr 2015. Dieser Urlaub sei abzugelten, da sie derzeit arbeitsunfähig erkrankt sei und nicht mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2016 gerechnet werden könne. Das beklagte Land lehnte dies ab und verwies auf einen Beschluss der Mitgliederversammlung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, keine Folgerungen aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu § 26 Abs. 2 Buchst. c) TV-Charité für § 26 TV-L zu ziehen.
Mit ihrer am 11. Januar 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen, dem beklagten Land am 19. Januar 2017 zugestellten Klage hat die Klägerin diesen Anspruch weiterverfolgt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Der Urlaubsanspruch sei entstanden und nicht verfallen. Sie habe diesen Urlaub nicht nehmen können, weil das beklagte Land zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen sei, diesen zu gewähren. Sie habe den Angaben auf der Urlaubskarte vertrauen dürfen. Soweit Urlaub aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers nicht angetreten werden könne, wandle sich der Anspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der hier geltend gemacht werde. Ihr stehe für insgesamt 45 abzugeltende Urlaubstage pro Tag ein Betrag von 155,32 Euro zu.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 6.989,33 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Da...