Entscheidungsstichwort (Thema)
Enge Voraussetzungen für eine Klageänderung in der Berufungsinstanz. Sittenwidrigkeit einer Kündigung. Treuwidrigkeit einer Kündigung. Kein Einfluss späteren sittenwidrigen Verhaltens auf die ursprünglich ausgesprochene Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine ursprünglich nicht sittenwidrige Kündigung wird nicht durch ein späteres prozessuales Verhalten nachträglich sittenwidrig.
2. Bei Kündigungen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes gibt es keine Pflicht des Arbeitgebers, die angenommenen Kündigungsgründe aufzuklären.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1, § 242; KSchG § 23 Abs. 1 S. 2; BGB § 626 Abs. 1; ZPO §§ 529, 533 Nr. 2; ArbGG § 64 Abs. 6, § 67
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 08.08.2017; Aktenzeichen 8 Ca 2025/17) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. August 2017 - 8 Ca 2025/17 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte, die Kosten der Berufung tragen die Beklagte zu 22% und die Klägerin zu 78%. Die Kosten des Verfahrens 6 AZN 312/18 vor dem Bundesarbeitsgericht trägt die Klägerin.
III. Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 23.001,42 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird für die Klägerin nur hinsichtlich der Kündigungsschutzklage zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz zuletzt noch über die Wirksamkeit einer von der Beklagten hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 2. Februar 2017 zum 15. März 2017 und damit um den Fortbestand des befristeten Arbeitsverhältnisses um 2,5 Monate sowie mit einer am 15. Januar 2019 beim Berufungsgericht eingegangenen Klageerweiterung um die Feststellung eines Schadenersatzes dem Grunde nach.
Die Klägerin ist 39 Jahre alt (geb. .... 1979), staatlich anerkannte Erzieherin und staatlich anerkannte Sozialassistentin mit einer mehrjährigen Erfahrung als Kinderfrau. Sie war bei der Beklagten, aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 23. Mai 2016 (Bl. 9-13 d.A.) nebst Anlage (Bl. 108 d.A.) seit dem 1. Juni 2016 befristet bis zum 31. Mai 2017 als Nanny/Kinderfrau mit einer Vergütung von 5.000,00 EUR brutto/mtl. zuzüglich eines Sachbezugs für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 229,50 EUR brutto beschäftigt.
Die Beklagte ist 35 Jahre alt (geb. .... 1983) und eine in Berlin lebende, international bekannte und international tätige deutsch-türkische Schauspielerin. Sie tritt insbesondere in ursprünglich türkischsprachigen, jedoch in zahlreiche Sprachen synchronisierten Produktionen von TV-Serien sowie Kino- und Fernsehfilmen auf. In diesem Zusammenhang kommt es aufgrund beruflicher Notwendigkeiten nicht selten zu teilweise auch längerfristigen Auslandsaufenthalten. Sie ist alleinerziehende Mutter einer am .... 2014 geborenen Tochter.
Im Arbeitsvertrag haben die Parteien vereinbart, dass der Aufgabenbereich der Klägerin insbesondere die Betreuung und Förderung eines oder mehrerer Kinder und Haushaltstätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung stehen, umfasse. Einzelheiten wurden dazu in der Anlage zum Arbeitsvertrag vereinbart. Dort ist in einer Spalte mit der Überschrift "Umgang mit dem Kind" aufgeführt:
- Viel mit dem Kind sprechen, erklären etc.
- Kinderwünsche, -fragen, -ängste ernst nehmen
- Viel loben, in den Arm nehmen etc.
Als Arbeitsort wurde neben Berlin auch die Tätigkeit auf nationalen und internationalen Reisen der Beklagten und als Arbeitszeit 40 Stunden pro Woche vereinbart. Überstunden insbesondere auch während der Reisen, sollten in Freizeit abgegolten werden. Für die Zeit nach Ablauf der 6monatigen Probezeit wurde die gesetzliche Kündigungsfrist vereinbart. Neben der Klägerin war eine zweite Kinderfrau, D. Z., für die Beklagte tätig. Tatsächlich war die Arbeitszeit so gestaltet, dass die Klägerin und Frau Z. im 14tägigen Wechsel das Kind der Beklagten jeweils ganztägig (24 Stunden) betreuten.
Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, da die Beklagte nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.
Frau Z. beendete ihr Arbeitsverhältnis mit einer Eigenkündigung vom 3. Januar 2017 zum Ablauf des 31. Januar 2017. Als Ersatz für Frau Z. beabsichtigte die Beklagte eine Frau M. B. zu beschäftigen. Die Anbahnung erfolgte über die Agentur "Nanny for your Kid".
Für einige Tage Mitte Januar 2017 vereinbarten die Beklagte und Frau B. eine Probetätigkeit oder eine Einarbeitung zusammen mit der Klägerin. Tatsächlich war Frau B. in der zweiten Hälfte des Monats Januar 2017 mehrere Tage in der Berliner Wohnung der Beklagten zusammen mit der Klägerin tätig.
Am 30. Januar 2017 erhielt die Klägerin vom Steuerbüro der Beklagten einen nicht unterzeichneten Aufhebungsvertrag (Bl. 16 d.A.) per E-Mail (Bl. 17 d.A.) übersandt. In dieser E-Mail wurde unter anderem ausgeführt:
Wie sie mit Frau U. besprochen haben, erhalten Sie in der Anlage den Aufhebungsvertrag ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 20...