Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifzulage für Teilnahme eines Flugbegleiters an einer dreitägigen Auffrischungsschulung. Auslegung des Tarifbegriffs "Office duty"
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Regelung in § 5 Abs. 9 VTV-Kabine 2 ist jedenfalls in der deutschen Formulierung eindeutig; Schulungen, auch Auffrischungsschulungen, sind Dienstzeit, die auf Anweisung am Boden absolviert wird.
2. Der Klammerzusatz "Office duty" bedeutet jedenfalls nicht direkt eine Übersetzung von "jegliche sonstige Dienstzeit am Boden", so dass der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften; "Office duty" im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet "Innendienst" und steht damit im Gegensatz zum "Außendienst".
3. Außendienst steht bei Flugbegleitern gleichbedeutend für die Arbeit im Flugzeug, so dass der Begriff "Office duty" zumindest vom Wortsinn den Dienst ersetzt, der nicht unmittelbar in der Luft oder mit der Arbeit in der Luft zusammenhängt, ohne dass dieses bei einem Haften an den Buchstaben sich unbedingt ergeben würde; einen anderen Sinn haben die Tarifvertragsparteien der Regelung des § 5 Abs. 9 VTV-Kabine 2 über den klaren deutschen Wortlaut hinaus nicht mitgegeben, jedenfalls hat ein anderer Sinn in den tariflichen Normen des VTV-Kabine 2 keinen Niederschlag gefunden.
4. Soweit die Tarifvertragsparteien in einer Zwischenvereinbarung den Begriff "Office duty" als Klammerzusatz für "Bürotage" gewählt haben, ist nicht ersichtlich, dass sie sich damit von dem allgemeinen Sprachgebrauch "Innendienst" absetzen wollten, da Bürotage selbstverständlich Innendienst sind; dass mit der Formulierung in der Zwischenvereinbarung jegliche anderen Tätigkeiten am Boden nicht mehr "Innendienst" genannt werden sollten, ergibt sich aus dieser Verwendung nicht.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; VTV-Kabine 2 § 5 Abs. 9
Verfahrensgang
ArbG Cottbus (Entscheidung vom 22.04.2015; Aktenzeichen 2 Ca 1076/14) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 22. April 2015 - 2 Ca 1076/14 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 220,41 EUR brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2014 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 220,41 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger für die Teilnahme an einer dreitägigen Auffrischungsschulung im April 2014 neben seiner Grundvergütung eine tarifliche Zulage beanspruchen kann.
Der Kläger steht in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis findet der am 14. Mai 2013 unterzeichnete "Vergütungstarifvertrag Nr. 2 für das in Berlin stationierte Kabinenpersonal der E. Airline Company Ltd. (VTV Kabine 2)" Anwendung. Nach der Fußnote 2 des Tarifvertrages gilt dieser Tarifvertrag bis zum Abschluss eines Manteltarifvertrages für die am Flughafen Sch. (SXF) in Brandenburg stationierten Mitarbeiter mit einem deutschen Arbeitsvertragsstatut. Einen Manteltarifvertrag gibt es bislang nicht. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten findet der VTV Kabine 2 auch auf die in H. stationierten Mitarbeiter Anwendung.
Der Kläger hat am 19., 20. und 21. April 2014 am jährlichen Auffrischungskurs für Flugbegleiter in Gatwick teilgenommen. Für diese Zeit hat die Beklagte dem Kläger nur seine Basisvergütung gezahlt. Nach § 5 Abs. 1 VTV Kabine 2 setzt sich die Monatsvergütung zusammen aus einer Basisvergütung gemäß § 5 Abs. 2 sowie weiteren Zulagen gemäß § 5 Abs. 3 bis 11. Die Zulagen für Flugzeiten variieren je nach Anzahl und Länge der geflogenen Strecken. Teilweise daneben und teilweise während der nicht-fliegenden Tätigkeiten erhalten Mitarbeiter Zulagen, die im VTV Kabine 2 abschließend definiert sind.
Mit E-Mail vom 3. Juni 2014 sowie mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 31. Juli 2014, der Beklagten zugegangen am 4. August 2014, hat der Kläger eine Zulage für die Zeit des Auffrischungskurses in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt 220,41 EUR brutto geltend gemacht.
Der Kläger meint, dass er die Zulage nach § 5 Nr. 9 VTV Kabine 2 beanspruchen könne.
Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare VTV 2 enthält folgende Regelung in § 5 Abs. 5:
"Für geflogene Sektoren (Flugabschnitte / "Legs") erhält der Mitarbeiter eine Sektorenzulage ..."
In Abs. 7 sind bestimmte Zulagen für durch E. verursachte Übernachtungen und in Abs. 8 für Airport Standby enthalten. In § 5 Abs.9 ist geregelt:
"Für jegliche sonstige Dienstzeit am Boden auf Anweisung von E. (Office duty) erhält der Mitarbeiter eine Zulage von ..."
In einer Zwischentarifvereinbarung vom 18. Juli 2011 hatten die Tarifvertragsparteien unter der Überschrift "3. Weitere Entgeltbestandteile" in Punkt d vereinbart:
"Buerotage (Office duty): fuer Kabinenmanager und fuer Flugbegleiter gelten ab dem 1. August 2011 folgende Werte: ..."
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