Entscheidungsstichwort (Thema)

Lenkzeitunterbrechung. Straßenbahnfahrer

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Geltung der europarechtlichen und nationalen Vorschriften zur Verpflichtung der Einhaltung einer Lenkzeitunterbrechung (Fahrtunterbrechung) nach einer bestimmten Gesamtlenkzeitdauer (Lenkdauer) für Straßenbahnfahrerinnen und Straßenbahnfahrer.

 

Normenkette

FPersV § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 17.01.2007; Aktenzeichen 91 Ca 9752/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.11.2008; Aktenzeichen 9 AZR 737/07)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.01.2007 – 91 Ca 9752/06 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Klärung der Problematik, ob er als Straßenbahnfahrer im öffentlichen Personennahverkehr nach 270 Minuten Gesamtlenkzeitdauer eine Lenkzeitunterbrechung von 45 Minuten einzuhalten hat (sofern sich keine Ruhezeit anschließt) bzw. ob die Beklagte verpflichtet ist, die Einsatzpläne entsprechend zu gestalten.

Die Beklagte ist eine vom Land Berlin auf der Grundlage des Berliner Betriebegesetzes (BerlBG) vom 9. Juli 1993 (zuletzt BerlBG vom 14. Juli 2006, GVBl. S. 827) errichtete rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, welche in der Hauptstadt u.a. ein Bus-, Straßenbahn- und U-Bahnnetz betreibt. Aufgabe der Beklagten ist die Durchführung von öffentlichem Personennahverkehr mit dem Ziel kostengünstiger und umweltfreundlicher Verkehrsbedienung sowie aller hiermit in technischem und wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Tätigkeiten (§ 3 Abs. 4 BerlBG). Nach einem Bekenntnis der Berliner Senatsverwaltung für F. vom 1. September 2005 (wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage B zum Beklagtenschriftsatz vom 12. Januar 2007 = Bl. 109 d.A. verwiesen wird) wird die Beklagte u.a. bis zum 31. August 2020 durch das Land Berlin mit 100 Prozent des jeweiligen Leistungsvolumens beauftragt, wobei diese je nach Bedarf maximal bestimmte prozentuale Anteile an ihre Tochtergesellschaften zu vergeben hat.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem 1. Oktober 1986 als Straßenbahnfahrer beschäftigt. Er erbringt seine Arbeitsleistung im Rahmen von Dienstplänen und wird auf verschiedenen Straßenbahnlinien eingesetzt. Keine Linienstrecke der von der Beklagten betriebenen Straßenbahnen ist länger als 10 km. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den Nahverkehrsbetrieben im Land Berlin vom 31. August 2005 in der Fassung des 2. Änderungstarifvertrags vom 9. Mai 2006 (künftig: TV-N) Anwendung. Dieser Tarifvertrag regelt unter § 9 TV-N besondere Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bei deren Einsatz als Omnibusfahrer, U-Bahnfahrer, Straßenbahnfahrer und Triebfahrzeugführer und enthält alternative Pausenbestimmungen (sog. „Blockpausen-Regelung” und „Sechstel-Regelung”). Innerhalb eines Dienstes darf nur eine Verfahrensweise der Pausenregelung zur Anwendung kommen. Bei den Diensten des Klägers wird die tarifvertragliche „Sechstel-Regelung” angewandt. Hiernach kann die nach dem Arbeitszeitgesetz oder nach der Fahrpersonalverordnung zu gewährende Pause durch Lenkzeitunterbrechungen abgegolten werden, wenn deren Gesamtdauer mindestens ein Sechstel der im Dienst- und Fahrplan vorgesehenen Lenkzeit beträgt. Lenkzeitunterbrechungen unter acht Minuten werden bei der Berechnung der Gesamtdauer nicht berücksichtigt, wobei die Gesamtdauer mindestens die Dauer der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen erreichen muss. Neben dem Führen der Straßenbahn ist der Kläger zur Ableistung weiterer – in einer Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Straßenbahnen näher beschriebenen – Pflichten angehalten. Hierzu gehören u.a. das Erstellen von Fahrberichten auf einem Vordruck, die Überprüfung des Straßenbahnzugs auf Betriebs- und Verkehrssicherheit, das Entfernen von Unrat oder die Kontrolle der Bahn auf Beschädigung durch Graffiti. Im Einzelnen ist zwischen den Parteien streitig, welche Tätigkeiten der Kläger neben dem „eigentlichen” Straßenbahnfahren zu verrichten hat und wie viel Zeit er hierfür (konkret bei den klägerseits exemplarisch angeführten Diensten am 18., 20., 24., 25., 26. und 27. Februar 2006) benötigt. Ungeachtet dessen meint der Kläger, er habe nach einer Gesamtlenkzeitdauer von 270 Minuten eine Lenkzeitunterbrechung von 45 Minuten einzuhalten. Nach der derzeitigen – auf den tarifvertraglichen Vorschriften basierenden – Dienstgestaltung sowie den in den Fahrberichten dokumentierten tatsächlichen Verhältnissen wird die Fahrzeit während des Einsatzes des Klägers zu keiner Zeit (also auch nicht nach 270 Minuten Arbeitszeit) durchgehend 45 Minuten lang unterbrochen (wegen der tatsächlichen Dauer der praktizierten Fahrunterbrechungen wird auf die tabellarischen Aufstellungen der Beklagten im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 25. Juli 2006 = Bl. 31 bis 36 d.A. verwiesen).

In seiner am 19. Mai 2006 beim Arbeitsgericht Berlin erhobenen Klage hat de...

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