Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages über den gesetzlich vorgesehenen Zeitraum hinaus aufgrund eines Tarifvertrages in betriebsratslosem Betrieb
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch eine vierjährige sachgrundlose Befristung bei sechsmaliger Verlängerungsmöglichkeit wird die Konzeption des § 14 TzBfG nicht in Frage gestellt, wonach Befristungen grundsätzlich nur mit Sachgrund erlaubt sind und sachgrundlose Befristungen nur unter bestimmten Voraussetzungen vereinbart werden dürfen. Der dem Arbeitnehmer zu gewährende Mindestbestandsschutz wird dadurch nicht unterschritten.
2. Regeln die Tarifvertragsparteien die erweiterte Befristungsmöglichkeit und soll diese Regelung unter bestimmten Umständen (wie etwa einem betriebsratslosen Betrieb) nicht angewendet werden, bedarf es für diesen Fall der Nichtanwendbarkeit entsprechende Anhaltspunkte in dem Tarifvertrag.
Normenkette
TzBfG §§ 14, 14 Abs. 2 Sätze 1, 3; BGB § 611a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 15.12.2015; Aktenzeichen 36 Ca 4909/15) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 15.12.2015 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin - 36 Ca 4909/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung ihres Arbeitsverhältnisses und um Weiterbeschäftigung. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Wohnungswirtschaft. In ihrem Berliner Betrieb besteht kein Betriebsrat. Der am 03.07.1953 geborene Kläger war bei der Beklagten als technischer Sachbearbeiter ab 18.05.2012 beschäftigt.
Die Beschäftigung erfolgte zunächst auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16.10.2012 (Bl. 4 ff. d.A.), in dem es auszugsweise heißt:
§ 1 - Vertragsbeginn/Tätigkeitsbereich
(1) Herr W. wird ab 18.10.2012 befristet bis zum 30.04.2013 als "technischer Sachbearbeiter" - entsprechend § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vom 21.12.2000 in der jeweils gültigen Fassung - vollbeschäftigt.
(...)
§ 10 - Schlussbestimmungen
Unter Bezug auf § 14 Absatz 2, Satz 3 und 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz kann § 4 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung und -förderung in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Anwendung finden. (...)
§ 4 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung und -förderung in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft für die Beschäftigten in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft vom 04.10.2005, abgeschlossen zwischen dem Arbeitgeberverband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. einerseits und der ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Bundesverband, und der IG BAU, Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Bundesvorstand, andererseits (im Folgenden auch nur: Tarifvertrag), lautet:
§ 4
Befristung von Arbeitsverhältnissen
Befristete oder zweckbestimmte Arbeitsverhältnisse sind im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zulässig, wobei gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG die zulässige Dauer von ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnissen auf bis zu 48 Monate und die zulässige Zahl von der Verlängerung auf bis zu sechs ausgedehnt wird. Die Verlängerung eines in dieser Form befristeten Arbeitsverhältnisses über zwei Jahre bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.
Hinsichtlich des vollständigen Wortlauts dieses Tarifvertrags wird auf Bl. 48 f. d.A. Bezug genommen.
Unter dem Datum des 29.01.2013/25.02.2013 schlossen die Parteien einen neuen Dienstvertrag, der in § 1 Abs. 1 eine Befristung für den Zeitraum vom 01.05.2013 bis zum 30.04.2014 vorsieht (Bl. 7 f. d.A.) bei im Übrigen gleichen Arbeitsbedingungen, insbesondere ist § 10 Abs. 1 des Vertrages gleichlautend formuliert.
Unter dem Datum des 17.01.2014/23.01.2014 schlossen die Parteien einen weiteren Dienstvertrag, der in § 1 Abs. 1 eine Befristung für den Zeitraum vom 01.05.2014 bis zum 30.04.2015 vorsieht (Bl. 9 f. d.A.) bei im Übrigen gleichen Arbeitsbedingungen, § 10 Abs. 1 des Vertrages ist auch dieses Mal gleichlautend formuliert.
Unter dem 28.04.2014/07.05.2015 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag (Bl. 11 d.A.), mit dem sie vereinbarten, dass der Kläger ab dem 01.06.2014 eine monatliche Bruttovergütung von 3.255,-- Euro - statt zuvor: 3.100,-- Euro - erhalten solle.
Nachdem dem Kläger am 21.01.2015 mitgeteilt wurde, dass sein befristeter Arbeitsvertrag nicht noch einmal verlängert werden würde, hat er mit seiner am 02.04.2015 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten und der Beklagten am 10.04.2015 zugestellten Klage die Feststellung verfolgt, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der letzten Befristungsvereinbarung am 30.04.2015 ende sowie die Weiterbeschäftigung begehrt.
Mit Urteil vom 15.12.2015 (Bl. 111 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die letzte Befristung zum 30.04.2015 sei nach § 14 Abs. 2 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam, auch wenn die dort in Satz 1 genannte Höchstb...