Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen des Betriebsübergangs hinsichtlich einer dynamischen Bezugnahme
Leitsatz (amtlich)
Die arbeitsvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme gilt (bei Nichtvorliegen eines "Altfalls") auch nach einem Betriebsübergang dynamisch weiter.
Normenkette
BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 20.01.2015; Aktenzeichen 5 Ca 1282/14) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 20. Januar 2015 - 5 Ca 1282/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Vorliegen einer dynamischen oder statischen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Rettungsassistent beschäftigt. Am 13. Februar 2007 schlossen der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die D. R. K. Rettungsdienst P.-M. gGmbH, einen Arbeitsvertrag, gemäß dem das Arbeitsverhältnis unter Anerkennung einer Betriebszugehörigkeit seit 6. Juni 1994 fortgesetzt wird. Weiter vereinbarten die Parteien u.a. (s. i.Ü. Bl. 8-12 d.A.):
"§ 2 Arbeitsbedingungen
Das Arbeitsverhältnis regelt sich nach dem DRK-Tarifvertrag Land Brandenburg, zudem finden die für die RD gGmbH jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen Anwendung. ...
§ 5 Vergütung / Abtretung
5.1. Die Eingruppierung des Arbeitnehmers erfolgt in die Entgeltgruppe I, Stufe 4 des DRK-Tarifvertrages Land Brandenburg. Weitere Steigerungen folgen den Regelungen sowie der Systematik des Tarifvertrages. ..."
Mit Schreiben vom 2. November 2008 teilte die Beklagte dem Kläger unter der Überschrift "Betriebsübergang nach § 613a, hier: Ermittlung des sozialen Besitzstandes" mit, im Hinblick auf das Angebot der Übernahme des Arbeitsverhältnisses unter Wahrung des sozialen Besitzstandes benötige sie u.a. den Arbeitsvertrag, Gehaltsabrechnungen und sonstige für das Arbeitsverhältnis relevante Vereinbarungen, es erfolge dann eine gemeinsame Feststellung, über die ein Protokoll erstellt werde, "das nach Gegenzeichnung Bestandteil und Grundlage des Arbeitsverhältnisses" bei ihr werde (s. i.E. Bl. 55, 56 d.A.). Mit Schreiben vom 12. Dezember 2008 teilte die Beklagte dem Kläger betreffend den Betriebsübergang mit, sie habe nach Einsichtnahme in die Personalunterlagen des DRK Rettungsdienstes P. gGmbH u.a. folgende Daten für die Weiterbeschäftigung erfasst (s. i. Ü. Bl. 57 d.A.):
"Beschäftigt seit dem 06.06.1994 als Rettungsassistent
Tarif: DRK Land Brandenburg
Befristung: keine
Vergütungsgruppe: I Stufe 4 Zeitzuschläge: ja ..."
Das Schreiben endet mit der Angabe "Ich bestätige hiermit die Richtigkeit der o.a. Daten" und der Unterschrift des Klägers hierunter.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2014 machte der Kläger weitere Entgeltansprüche mit der Begründung geltend, der DRK-Tarifvertrag für das Land Brandenburg finde in der jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt insgesamt 865,73 Euro brutto monatliche Differenzen und 65,20 Differenzen betreffend Nachtarbeitszuschläge zwischen dem für die Zeit von Dezember 2013 bis Juli 2014 gezahlten Entgelt und dem nach dem DRK Tarifvertrag Land Brandenburg vom 30. Mai 2015 (im Folgenden: TV DRK) maßgeblichem Entgelt verlangt (Differenz zwischen jeweils gezahlten 2.601,97 Euro brutto monatlich und für Dezember 2013 2.616,60 Euro brutto gemäß Entgeltgruppe I Stufe 5 des TV DRK, für Januar bis März 2014 je 2.695,11 Euro brutto gemäß Entgeltgruppe I Stufe 5 TV DRK und für April bis Juli 2014 je 2.744,87 Euro brutto gemäß Entgeltgruppe I Stufe 6 des TV DRK sowie 65,20 Euro Differenz zwischen den für Dezember 2013, Januar 2014 und April 2014 gezahlten Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von 1,20 Euro pro Stunde und dem Nachtarbeitszuschlag von 1,60 Euro brutto pro Stunde gemäß § 10 Abs. 1 f) TV DRK).
Es liege eine dynamische Verweisung auf den jeweils geltenden DRK-Tarifvertrag Land Brandenburg vor. Durch die Erklärung der Beklagten vom 12. Dezember 2008 im Vorfeld des Betriebsübergangs zum 1. Januar 2009 habe die Beklagte diese Vereinbarung ihrerseits zur Grundlage der Weiterbeschäftigung gemacht.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 865,73 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 65,20 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es liege keine dynamische Bezugnahme auf den DRK-Tarifvertrag für das Land Brandenburg vor. In § 2 des Arbeitsvertrages werde nicht auf "jeweils geltende" DRK-Tarifverträge Bezug genommen, und dies im Gegensatz zu dem Verweis im zweiten Satzteil auf die "jeweils geltenden" Betriebsvereinbarungen. Die Regelung in § 5, 5.1., S. 2 zu weiteren Steigerungen beziehe sich ersichtlich auf den ersten Satz und bedeute nur, dass sich die Entgeltgruppe I, Stufe 4 durch einen Stufen- bzw. Gruppe...