Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Arbeitnehmers auf Weitergabe einer Tariflohnerhöhung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Enthält ein Arbeitsvertrag keine Bezugnahme auf tarifliche Vorschriften, so ist die dynamische Anwendung eines Entgelttarifvertrages nicht vereinbart.

2. Ist eine Betriebsvereinbarung hinsichtlich des Gehalts- und Arbeitzeitsystems an den geltenden Tarifvertrag angelehnt, so kann hieraus gleichwohl nicht geschlossen werden, dass der nicht tarifgebundene Arbeitgeber auch künftig die Gehälter uneingeschränkt entsprechend der tariflichen Entwicklung erhöhen werde.

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 1; BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1, Abs. 3 S. 1; BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 17.06.2016; Aktenzeichen 28 Ca 18056/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.01.2019; Aktenzeichen 1 AZR 291/17)

 

Tenor

I Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Juni 2016 - 28 Ca 18056/15 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

II Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

III Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Entgelterhöhung für die Monate August bis November 2015 sowie auf Zahlung eines Weihnachtsgelds für das Jahr 2015 in Anspruch.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit Februar 2010 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 12. März 2011 (Anl. zum Schriftsatz des Klägers vom 25. April 2015, Bl. 68 - 72 d. A.) beschäftigt, der auszugsweise wie folgt lautet:

"§ 1 Tätigkeit

1. Der Mitarbeiter ist eingestellt als Kassierer,

zur Zeit in der Filiale Berlin, S.str. 78-82, 12165 Berlin-Steglitz.

Das Berufsjahr gilt vom 01.04.2011 bis 31.03.2012

Dieses entspricht den Anforderungen der Gehaltsgruppe G1-5

....

§ 5 Vergütung

1. Der Mitarbeiter erhält ein monatliches Bruttogehalt von Euro 1.680,07 das jeweils spätestens am Letzten des Monats fällig ist.

...

§ 14 Schlußbestimmung

...

Dieser Vertrag ist nur in Verbindung mit der nachfolgenden G.-Berliner-Betriebsvereinbarung gültig."

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat eine für den Betrieb ab 1. März 1997 geltende "G.-Hamburg-Betriebsvereinbarung" (Anl. zur Klageschrift, Bl. 6 - 15 d. A., im Folgenden: BV 1997), deren Präambel u. a. wie folgt lautet:

"Ziel der Konzeption einer Betriebsvereinbarung war die Schaffung eines Gehalts- und Arbeitszeitsystems, das für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar, einsehbar und leistungsrecht ist.

Ferner sollen die gesetzlichen Ladenschlußzeiten des Einzelhandel in gerechte Rahmenbedingungen gefügt werden.

Als Grundlage wurden größtenteils bestehende Vereinbarungen genommen. Der Tarifvertrag berücksichtigt die Mindestforderungen des Einzelhandelstarifes in Hamburg soweit nicht andere Vereinbarungen getroffen werden und diese einen individuellen Leistungsausgleich berücksichtigen (Arbeitsvertrag). Eine Überarbeitung findet mindestens zum Zeitpunkt gültiger Tarifverhandlungen des Einzelhandels statt.

Die nachstehenden Paragraphen ergänzen die Regelungen des Arbeitsrechtes und gelten als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung) ..."

Im Weiteren ist u. a. geregelt

"§ 8 Urlaubs- und Weihnachtsgeld

...

G. zahlt in jedem Beschäftigungsjahr ein Weihnachtsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist spätestens der 30. November eines jeden Jahres. Im Einstellungsjahr und im Austrittsjahr erhält der G. anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld, d. h. soviel Zwölftel, wie der G. im Kalenderjahr tätig war. Bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer zuviel gezahltes Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld zurückzuzahlen."

"§ 15 Gehaltstarif

Die G.-Gehälter garantieren eine Mindesthöhe über den jeweiligen Hamburger Tarifen

In den Tarifen G0,G1, G2

sind das DM 200,00

In dem Tarif G3

sind das DM 300,00

In dem Tarif G4a

sind das DM 400,00

und in G4b DM 500,00

...

Zukünftige Tariferhöhungen führen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes."

Die Beklagte, die bis zum 31. März 2008 dem Landesverband des Hamburger Einzelhandels e. V. angehörte, kündigte mit dem Schreiben vom 27. Juni 2014 (Anl. B1, Bl. 40 d. A.) die BV 1997 zum 31. Dezember 2014 und teilte ihren Mitarbeitern unter dem 31. Juli 2015 u. a. mit, dass sie aufgrund der angespannten Personalkostensituation die Tariflohnerhöhungen nicht weitergeben und im November kein Weihnachtsgeld auszahlen könne.

Die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel regeln die Löhne der gewerblichen Beschäftigten bereits seit Jahren nach den Lohngruppen A, B und C, die Gehälter der Angestellten nach den Gehaltsgruppen 1 - 5 (Gehalts- und Lohntarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel, gültig ab 1. Mai 2009, Anlagenband zum Schriftsatz des Klägers vom 15. Dezember 2016, gültig ab 1. Mai 2013, ab 1. Mai 2015, Anl. zum Schriftsatz des Klägers vom 5. Dezember 2016, Bl. 343 d. A.). Die Tarifverträge des Berliner Einzelhandels regeln die Löhne der gewerblichen Arbeitnehmer seit Jahren nach Lohngruppen L1 - L6, die Gehälter der kaufmännischen Angestellten nach ...

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