Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Direktionsrechts des Arbeitgebers unter Geltung des Tarifvertrages Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung vom 29.06.2002
Leitsatz (amtlich)
1. Der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung T. schränkt das Direktionsrecht des Arbeitgebers bei der Versetzung eines Arbeitnehmers ein.
Die dort in § 3 Abs. 4 und § 4 genannten Regelungen und Verfahrensvorschriften sind abschließend und können nicht durch die Betriebsvereinbarung Interessenausgleich und Sozialplan eingeschränkt werden.
2. Ist eine Versetzung wegen Verstoß gegen § 3 Abs. 4 TV Ratio unwirksam, ist eine Folgeversetzung, die darauf beruht, ebenfalls unwirksam.
Normenkette
GewO § 106; TVG § 4 Abs. 1, 3; BetrVG § 77 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 13.09.2017; Aktenzeichen 37 Ca 10510/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13.09.2017 - 37 Ca 10510/16 - teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Juniorreferent Personalentwicklung am Beschäftigungsort Berlin zu beschäftigen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und die vertragsgemäße Beschäftigung des Klägers.
Der 44 Jahre alte, zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit 1990 bei der Beklagten zuletzt als Junior-Referent Personalentwicklung mit einem Jahresbruttogehalt von 53.587,-- € in der Entgeltgruppe 6 Stufe 4 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden beschäftigt. Der Kläger ist eingesetzt am Beschäftigungsort Berlin, L. Str. 13 - 17 und seit 17 Jahren im Bereich Telekom Ausbildung tätig. Der Kläger ist tarifgebunden.
Die Beklagte ist ein großer Telekommunikationsanbieter und beschäftigt bundesweit mehrere tausend Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat.
Bei der Beklagten gilt der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung vom 29. Juni 2002 in der Fassung vom 1. März 2004 (TV Ratio, Bl. 48 - 65 d. A.). Dieser Tarifvertrag lautet auszugsweise:
§ 1 Sachlicher Geltungsbereich
(1) Zur Erhaltung, Sicherung und Steigerung sowohl der Wettbewerbsfähigkeit als auch der Marktanteile der D. T. AG sind wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen erforderlich, um eine kontinuierliche Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung sowie eine flexible Anpassung an technologische und nachfragebezogene Veränderungen sicherzustellen. Dieser Tarifvertrag dient der sozialverträglichen Umsetzung dieser Maßnahmen.
(2) Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 sind
a) Änderungen der Aufbauorganisation,
b) Änderungen der Ablauforganisation,
c) Maßnahmen zur Nutzung des technischen Fortschritts,
d) andere personalwirtschaftliche Maßnahmen, soweit hierdurch der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird.
Ausführungsbestimmung zu Absatz 2:
1. zu Buchstabe a):
Unter Aufbauorganisation ist die Bildung von Organisationseinheiten, die Zuteilung von Aufgaben zu diesen Einheiten, die Aufgabenverteilung innerhalb der Einheiten sowie die Festlegung ihrer Zuständigkeiten zu verstehen. Sie umfasst z. B. die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Niederlassungen, die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Ressorts oder Abteilungen, die Aufgabenverteilung auf Niederlassungen oder Ressorts sowie die Arbeitsverteilung auf Funktionsträger.
2. zu Buchstabe b) und c):
Die Ablauforganisation ist die Ordnung für das zeitlich-räumliche Hinter- und Nebeneinander von Arbeitsvorgängen zur Erfüllung der im Rahmen der Aufbauorganisation vorgesehenen Aufgaben. Sie umfasst die Gestaltung von Arbeitsverfahren, Arbeitsvorschriften, Arbeitsfeldern und Arbeitsplätzen sowie den Einsatz von Arbeitsmitteln.
3. Betrieblich veranlasste Maßnahmen, in deren Folge die Gesamttätigkeit, die der Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend ausübt, einer niedrigeren Entgeltgruppe zuzuordnen ist (anforderungsändernde Maßnahmen) werden ebenfalls von diesem Tarifvertrag erfasst.
(3) Eine Verringerung des Personalbedarfes, die durch gesamtwirtschaftlich bedingten allgemeinen Verkehrsrückgang ausgelöst ist, zählt nicht zu Maßnahmen nach Absatz 2.
§ 2 Persönlicher Geltungsbereich
Dieser Unterabschnitt gilt für Arbeitnehmer,
a) die unter den Geltungsbereich des MTV und des ERTV der D.
T. AG fallen und
b) die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur D. T. AG stehen,
c) soweit dieses Arbeitsverhältnis seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen besteht.
§ 3 Auswahl
(1) Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird, so werden alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. von der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbe...