Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplanauslegung. Klageerweiterung in der Berufungsinstanz. Tatbestandswirkungen
Leitsatz (amtlich)
Wenn ein Sozialplan für eine Betriebsänderung (hier Stilllegung zum 31.12.2010) schon mehr als 7 Jahre im Voraus vereinbart wird, hat ein Arbeitnehmer auch bei einer Eigenkündigung zu einem Termin mehr als 4 Jahre vor Ende der Betriebsänderung schon Anspruch auf die Sozialplanabfindung.
Normenkette
ZPO §§ 263, 525, 529 Abs. 1 Nr. 1, § 314
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Teilurteil vom 29.03.2007; Aktenzeichen 89 Ca 21462/06) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers vom 07.06.2007 wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.03.2007 – 89 Ca 21462/06 – abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 34.190,33 EUR brutto (vierunddreißigtausendeinhundertneunzig 33/100) nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2006 zu zahlen.
(M) Die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz wird als unzulässig abgewiesen.
(M) Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
(M) Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 95.617,33 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Anwendbarkeit eines Sozialplans vom 21. Mai 2003 und im Rahmen einer Hilfsaufrechnung um die Tantiemezahlung an den Kläger für das Jahr 2004.
Der Kläger ist 50 Jahre alt (… 1957) und war vom 1. März 1994 bis 30. Juni 2006 bei der Beklagten als Leiter des kaufmännischen Bereiches und einer von zwei Prokuristen beschäftigt. Seine Jahresbezüge betrugen zuletzt 117.497,49 EUR. Mit Schreiben vom 29. November 2004 (Bl. 13 d.A.) kündigte der Kläger seinen Dienstvertrag fristgemäß zum 30. Juni 2006.
Die Beklagte wurde im Oktober 1991 gegründet, um den Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen im Wesentlichen in den neuen Ländern zu koordinieren, zu optimieren und zu kontrollieren. Gesellschafter sind die Bundesrepublik Deutschland zu 50% und die 5 neuen Länder zu je 10%. Bei der Gründung der Beklagten ging man von einer befristet tätigen Gesellschaft aus, die mit Erfüllung ihrer Aufgaben ende.
Unter dem 21. Mai 2003 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat sowie der Sprecherausschuss für die leitenden Angestellten einen Interessenausgleich (Bl. 14-22 d.A.) und einen Sozialplan (Bl. 23-33 d.A.). Auf Seiten der Beklagten wurden beide Vereinbarungen wesentlich vom Kläger verhandelt. In der Präambel zum Interessenausgleich ist ausgeführt:
Die Notwendigkeit, um über einen Interessenausgleich zu beraten, ergibt sich aus dem beschränkten Aufgabenumfang der D.. Die Aufgaben der D. sind im Vertragswerk der Gesellschaft abschließend mit dem Zusatz: „Die Gesellschaft endet mit Erfüllung der Aufgaben …” beschrieben. Daraus ergibt sich die nachfolgend beschriebene Betriebsänderung.
Auch wenn eine Öffnungsklausel der Gesellschaft im Gesellschaftervertrag eingefügt ist, sind damit derzeit weder weitere Aufgaben noch eine Verlängerung der Lebenszeit der D. absehbar.
In § 2 Ziffer 2 des Interessenausgleichs ist vereinbart:
In Anlehnung an die derzeit geplanten Fertigstellungen der übertragenen Verkehrsprojekte wird sich – ceteris paribus – der Personalabbau in zwei grob strukturierten Phasen vollziehen:
- Phase: moderater Personalabbau bis ca. 2007/2008 auf ca. 140-180 MA
- Phase: starker Personalabbau zwischen 2007/2008 und 2010/2011 auf Null.
Auf die Frage, ob beide Phasen in diesem Umfang durchgeführt werden, wird unter § 4 noch eingegangen.
In § 2 Ziffer 3 des Interessenausgleichs ist unter anderem festgelegt:
Der Personalabbau, der bis 2010 alle Mitarbeiter betreffen kann, wird sich voraussichtlich wie folgt vollziehen:
…
D. wird bis Ende 2003 für jeden Mitarbeiter im Rahmen eines Personalgespräches den Zeitpunkt definieren, bis zu dem er voraussichtlich benötigt wird. Wegen der Schwierigkeit, den exakten Zeitpunkt bereits so frühzeitig festzulegen, wird hierfür ein Zeitkorridor von einem Jahr festgelegt.
Damit korrespondierend ist in § 8 des Sozialplans vereinbart:
D. wird bis zum 31.12.2003 für jeden Mitarbeiter(in) den Zeitpunkt definieren, bis zu dem er/sie bei D. beschäftigt werden kann. Wegen der Schwierigkeit, den exakten Zeitpunkt bereits so frühzeitig festzulegen, wird hierfür ein Zeitkorridor von einem Jahr vor dem geplanten Ausscheiden festgelegt. …
Diese Unterrichtung findet einmal jährlich statt.
Es besteht Einvernehmen, dass Mitarbeiter(innen), deren von D. geplantes Ausscheidedatum weniger als 30 Monate entfernt liegt, hierüber schriftlich informiert werden. Diese Information ist verbindlich. Eine Vorverlegung des Ausscheidetermins ist nur mit Zustimmung des Mitarbeiters und nach Unterrichtung des Betriebsrates und des Sprecherausschusses möglich.
Zu etwaigen neuen Aufgaben für die Gesellschaft ist in § 4 des Interessenausgleiches geregelt:
Die D. kann derzeit ihre Zukunft ausschließlich im Kreis öffentlich-rechtlicher Gesellschafter gestalten. Ein Wirken am Markt/im Wettb...