Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Arbeitgebers zur Vergütung von Umkleidezeiten
Leitsatz (redaktionell)
Umkleidezeiten gehören dann zur vertraglich geschuldeten und zu vergütenden Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das ist bei einer besonders auffälligen Dienstkleidung (hier: Zugbegleiter der DB) der Fall.
Normenkette
BGB § 611; Zub-TV
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 27.07.2016; Aktenzeichen 31 Ca 3660/16) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.07.2016 - 31 Ca 3660/16 - teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlichen Zeiten des An- und Ablegens der Unternehmensbekleidung im Betrieb einschließlich der dabei veranlassten Wegezeiten als Bestandteil der von der Beklagten geschuldeten tariflichen Regelarbeitszeit vergütungspflichtig sind.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.
III. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch um die Feststellung, ob Zeiten des An- und Ablegens der Unternehmensbekleidung und die Empfangnahme, Abgabe und Bereitstellung von Arbeitsmitteln - jeweils einschließlich der dabei veranlassten Wegezeiten - als Bestandteil der tarifvertraglich geleisteten Arbeitszeit vergütungspflichtig sind.
Die Beklagte ist ein Unternehmen des DB-Konzerns und erbringt nationale und europaweite Fernverkehrsleistungen. Der Kläger ist seit 01.09.1984 bei der Beklagten im Wahlbetrieb Berlin/Stralsund als Zugbegleiter tätig, er wurde zuletzt als Zugchef beschäftigt. Das Fahrpersonal der Beklagten ist in einem Schichtsystem tätig. Bei der Beklagten werden für das Fahrpersonal tarifvertragliche Regelungen angewendet, die kraft Mitgliedschaft in der tarifvertragschließenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL) bzw. aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Der Kläger ist Mitglied der GdL, die Beklagte ist Mitglied im Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister (Agv MoVe). Für GdL Mitglieder, die im Bordservice beschäftigt sind, gilt unter anderem der Tarifvertrag für Zugbegleiter und Bordgastronomen von Schienenverkehrsunternehmen des Agv MoVe (Zub-TV). Der Kläger erhält eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.090,72 EUR. Die Beklagte führt ein Arbeitszeitkonto aufgrund tariflicher Regelungen.
Die Bestimmungen des Zub-TV enthalten unter anderem grundsätzliche Regelungen zum Arbeitsentgelt, zur Arbeitszeit und Arbeitszeitbewertung. Zum Beispiel ist bestimmt:
Abschnitt III
Allgemeine Entgeltbestimmungen
§ 32
Berechnung des Entgelts
(1) Das Entgelt wird für den Kalendermonat berechnet.
(2) Besteht der Anspruch auf das Monatsentgelt (Monatstabellenentgelt und in Monatsbeträgen festgelegte Entgeltbestandteile) wegen des Beginns oder der Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Kalendermonats nicht für den vollen Kalendermonat, wird die geleistete Arbeitszeit bezahlt.
Ausführungsbestimmung
Die zu bezahlende Arbeitszeit wird für den Kalendermonat zusammengerechnet und dann gerundet. Hierbei ist eine angebrochene halbe Stunde in der Weise zu runden, dass 15 Minuten oder mehr als halbe Stunde zählen und weniger als 15 Minuten unberücksichtigt bleiben.
...
"§ 53
Arbeitszeitverteilung/Arbeitszeitbewertung
(1)...
(2) Eine Schicht umfasst den gesamten Zeitraum einschließlich der Fahrgastfahrten, Bereitschaftszeiten und Tätigkeitsunterbrechungen zwischen zwei Ruhezeiten bzw. Zeiten ohne Arbeitsverpflichtung (ZoA) von mehr als 5 und weniger als 9 Stunden Dauer. Die Dauer der Schicht nach Satz 1, ohne die Zeiten der gesetzlichen Mindestruhepausen (auch Kurzpausen), wird auf das individuelle regelmäßige Jahresarbeitszeit-Soll angerechnet. ....
§ 54
Beginn und Ende der Arbeitszeit
(1) Die Arbeitszeit beginnt und endet am vorgeschriebenen Arbeitsplatz. Durch betriebliche Regelungsabrede kann festgelegt werden, dass ein Zeitverwaltungssystem durch ein Daten-Terminal zu bedienen ist.
(2) Für Arbeitnehmer mit wechselnden Arbeitsplätzen innerhalb einer Schicht beginnt und endet die Arbeitszeit am Ort des Dienstbeginns (Schichtsymmetrie). Abweichungen davon, innerhalb der politischen Gemeinde, bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Der Arbeitgeber ist in diesem Falle für den Transfer zurück zum Ort des Arbeitsbeginns innerhalb einer angemessenen Zeit auf seine Kosten verantwortlich. Näheres regelt eine Betriebsvereinbarung, in der eine vergleichbare, von der politischen Gemeinde abweichende, räumliche Zuordnung vorgesehen werden kann.
(3) ..."
In § 85 Zub-TV ist zur Unternehmensbekleidung bestimmt:
§ 85
Unternehmensbekleidung
Unternehmensbekleidung sind Kleidungsstücke, die zur Sicherstellung eines einheitlichen und gepflegten Erscheinungsbildes in der Öf...