Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsfrist bei Massenentlassungsanzeige
Leitsatz (amtlich)
Im Fall einer Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG wird die Kündigungsfrist erst mit Ablauf der Sperrfrist des § 18 Abs. 1 KSchG in Lauf gesetzt.
Normenkette
KSchG § 18 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 08.08.2007; Aktenzeichen 31 Ca 5705/07) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 08.08.2007 – 31 Ca 5705/07 – im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie es unter Abweisung des weitergehenden Feststellungsbegehrens festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien am 23.04.2007 geendet habe.
2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat bis zum 31.05.2007 fortbestanden.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz bleibt dem Schlussurteil vorbehalten, während die Kosten der Berufungsinstanz bei einem Streitwert von 1746,04 EUR von der Beklagten zu tragen sind.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am … 1979 geborene Kläger stand seit dem 01. April 2005 als Bote/Zusteller in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gegen ein Entgelt von zuletzt durchschnittlich 1.418,66 EUR brutto im Monat.
Auf eine Massenentlassungsanzeige der Beklagten vom 23. Februar 2007 verlängerte die Arbeitsagentur mit Bescheid vom 13. März 2007 die gesetzliche Sperrfrist bis zum 23. April 2007. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte dem Kläger mit einem zwei Tage später zugegangenen Schreiben vom 13. März 2007 zum 15. April 2007, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch diese Kündigung gewandt und hilfsweise vorläufige Weiterbeschäftigung begehrt. Seinen Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses hat der Kläger nicht gestellt, sondern sich darauf beschränkt, für den Fall der Abweisung seines Kündigungsschutzantrags die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses zu beantragen. Diesen Antrag hat die Beklagte anerkannt. Die Forderung des Klägers nach Zahlung von Überstundenvergütung ist vom Arbeitsgericht abgetrennt worden.
Im Anschluss an die im Verhandlungsprotokoll vom 08. August 2007 vermerkte Feststellung, dass der auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichtete Antrag erledigt sei, hat das Arbeitsgericht durch Urteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 13. März 2007 erst am 23. April 2007 geendet habe. Außerdem hat es die Beklagte gemäß dem Anerkenntnis zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits zu 1/13 der Beklagten und zu 12/13 dem Kläger auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung erklärte Kündigung habe das Arbeitsverhältnis aufgrund der von der Arbeitsverwaltung bis zum 23. April 2007 verlängerten Sperrfrist erst zu diesem Termin beendet.
Der Kläger, dem das Urteil am 29. August 2007 zugestellt worden ist, wendet sich mit seiner am 12. September 2007 eingelegten und am 15. Oktober 2007 begründeten Berufung gegen eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses vor dem 31. Mai 2007. Er meint, aufgrund der Verweisung in § 18 KSchG auf § 17 KSchG sei der Begriff Entlassung wie dort i.S.v. Kündigung zu verstehen, weshalb die Kündigungsfrist erst mit Ablauf der Sperrfrist zu laufen begonnen habe.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 13. März 2007 erst am 31. Mai 2007 geendet habe.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, die Verhängung einer Sperrfrist durch die Arbeitsverwaltung könne lediglich zu einer entsprechenden Verlängerung der Kündigungsfrist führen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung ist begründet.
1.1 Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. März 2007 erst zum 31. Mai 2007 aufgelöst worden.
1.1.1 Da das Arbeitsverhältnis des Klägers bei Zugang der Kündigung am 15. März 2007 noch keine zwei Jahre bestanden hatte, betrug die Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 1 BGB vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.
1.1.2 Die Kündigungsfrist hat nicht bereits mit Zugang der Kündigung am 15. März 2007 zu laufen begonnen, sondern erst mit Ablauf der durch den Bescheid der Agentur für Arbeit vom 13. März 2007 gemäß § 18 Abs. 2 KSchG bis zum 23. April 2007 verlängerten Sperrfrist. Dies ergibt sich aus § 18 Abs. 1 Ts. 1 KSchG, wonach Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur f...