Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein für den Arbeitnehmer zu Protokoll erklärter Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber ist jedenfalls dann gemäß §§ 125 Satz 1, 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nichtig, wenn er nicht vorgelesen und genehmigt worden ist.

2. In der Berufungserwiderung des Arbeitnehmers, der für die Zeit nach einem Betriebsübergang gegen den Veräußerer eine Vergütungsforderung verfolgt, ist eine konkludente Bestätigung seines Widerspruchs i.S.d. § 141 Abs. 1 BGB zu sehen, die im Falle der Beglaubigung dieses Schriftsatzes durch seinen Prozessbevollmächtigten die erforderliche Schriftform wahrt und für die auch der Prozessbevollmächtigte des Arbeitgebers entsprechend § 81 ZPO Empfangsvollmacht besitzt.

3. Eine Kündigung, die vom Betriebsveräußerer nach dem Betriebsübergang vorsorglich ausgesprochen worden ist, entfaltet ab Zugang ihre Wirkung, sobald der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht gemäß § 613a Abs. 6 BGG ausgeübt hat, weil dadurch das Arbeitsverhältnis durchgängig zum Veräußerer bestanden hat.

 

Normenkette

BGB § 125 S. 1, § 126 Abs. 4, §§ 127a, 141, 613a Abs. 4, 6, § 614 S. 2; ZPO § 81

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 06.05.2010; Aktenzeichen 2 Ca 17160/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.05.2010 – 2 Ca 17160/09 – im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten durch deren Kündigung vom 18.11.2009 nicht aufgelöst worden sei, und die Klage insoweit abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben bei einem Streitwert von 3.605,36 EUR der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 % zu tragen, während die Kosten der Berufungsinstanz bei einem Streitwert von 1.589,36 EUR dem Kläger zu 56,71 % und der Beklagten zu 43,29 % auferlegt werden.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Student. Er trat Mitte Januar 2009 als Verkäufer in die Dienste der Beklagten und wurde in einer Filiale in den Räumlichkeiten eines Kaufhauses in Berlin beschäftigt.

Im Anschluss an eine mündliche Kündigung der Beklagten vom 30. März 2009 wurde durch inzwischen rechtskräftiges Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. Juli 2009 – 35 Ca 11919/09 – festgestellt, dass der Kläger in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Beklagten mit einer Beschäftigung von 13 Stunden pro Woche und einer Stundenvergütung von 8,00 EUR stehe.

Ab dem 1. November 2009 übernahm ein anderes Unternehmen die Filiale der Beklagten auf Franchisebasis. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits in einem Schriftsatz vom 9. November 2009 zum 16. April 2009 und erneut mit Schreiben vom 18. November 2009 zum 31. Dezember 2009. Im erstinstanzlichen Verhandlungstermin vom 6. Mai 2010 erklärte der Klägervertreter zu Protokoll, einem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Franchisenehmer der Beklagten zu widersprechen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die beiden Kündigungen der Beklagten nicht aufgelöst worden sei. Zugleich hat es ein Versäumnisurteil vom 3. November 2009 mit einer Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.352,01 EUR brutto aufrechterhalten und die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag in dieser Höhe zu zahlen, und zwar jeweils nebst Verzugszinsen auf monatliche Teilbeträge von 450,67 EUR ab dem 1. der einzelnen Folgemonate. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, mangels Unterrichtung über einen Betriebsübergang habe der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses noch am 6. Mai 2010 widersprechen können. Sein deshalb zur Beklagten fortbestehendes Arbeitsverhältnis sei durch deren Kündigung vom 18. November 2009 nicht aufgelöst worden, weil diese wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen worden sei. Die Schriftsatzkündigung vom 9. November 2009 sei bereits am Schriftformerfordernis gescheitert, weil dem Klägervertreter lediglich eine Kopie dieses Schriftsatzes übersandt worden sei. Aufgrund Annahmeverzugs schulde die Beklagte dem Kläger Vergütung für Juli bis Dezember 2009. Ein Angebot der Arbeitsleistung sei mit Rücksicht auf die unwirksame Kündigung vom 30. März 2009 entbehrlich gewesen.

Gegen dieses ihr am 28. Juni 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. Juli 2010 eingelegte und am 30. August 2010, einem Montag, begründete Berufung der Beklagten. Sie meint, sofern nicht der Widerspruch des Klägers ohnehin formunwirksam sei, habe sie dessen Arbeitsverhältnis mit ihrem Schreiben vom 18. November 2009 deshalb kündigen können, weil sie wegen des Betriebsübergangs selbst keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für den Kläger gehabt habe. Mangels einer entsprechenden Vereinbarung sei allenfalls eine Arbeitszeit von zehn Stunden pro Woche zugrunde zu legen...

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