Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Begründung eines Arbeitsverhältnisses bei Beendigung der Organstellung in einer Aktiengesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Wird mit einem Vorstandsmitglied, das vorher nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Aktiengesellschaft stand, im Anstellungsvertrag vereinbart, dass allgemein für den Fall der Beendigung der Organstellung dieses Anstellungsverhältnis unverändert als Arbeitsverhältnis weitergeführt wird, und will das Vorstandsmitglied nunmehr gerichtlich geklärt wissen, dass ein Arbeitsverhältnis besteht, so ist die Klage gegen die Aktiengesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat (und nicht durch den Vorstand) zu richten.
2. Materiell-rechtlich ist eine solche Vertragsgestaltung unwirksam. Hierdurch wird der Sinn und Zweck des § 84 Abs. 1 AktG umgangen.
3. Ob dies auch dann gilt, wenn schon bei Abschluss des Anstellungsvertrages ein Arbeitsverhältnis bestand oder aufgrund einer konkreten Personalplanung des Arbeitgebers ersichtlich ist, dass bei Beendigung der Organstellung unabhängig von den Beendigungsgründen für das (ehemalige) Vorstandsmitglied ein geeigneter freier Arbeitsplatz vorhanden sein wird, kann offenbleiben.
4. Für eine Umgehung des § 84 Abs. 1 AktG spricht hier ferner, dass der Anstellungsvertrag nach dem Willen der Parteien unbefristet hätte durchgeführt werden sollen, in den ersten 60 Monaten des Anstellungsverhältnisses das Recht zur ordentlichen Kündigung nur für die Aktiengesellschaft ausgeschlossen war und die genaue Tätigkeit in einem künftigen Arbeitsverhältnis unbestimmt blieb.
Normenkette
AktG §§ 84, 112; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 01.11.2007; Aktenzeichen 26 Ca 4062/07) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 01.11.2007 – 26 Ca 4062/07 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob nach Beendigung der Vorstandstätigkeit zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist.
Der Kläger schloss unter dem 28. August 2001 einen ersten unbefristeten Anstellungsvertrag (Kopie Bl. 6 ff. d. A.) mit der Beklagten, die damals und bis März 2005 noch unter der Bezeichnung T.-T. eC. T. AG firmierte. Der Kläger befand sich vorher nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Der Kläger wurde bis zum 8. November 2006 in den Vorstand berufen. Bevor die f.de AG mit Vertrag vom 12. Dezember 2004 die 100%-ige Beteiligung an der Beklagten erwarb, schlossen der Kläger und die Beklagte drei Tage zuvor einen zweiten unbefristeten Anstellungsvertrag vom 9. Dezember 2004 (Bl. 9 ff. d. A.). Dieser Vertrag sah in Abwandlung zu der vorherigen Vereinbarung neben einigen weiteren Vergünstigungen für den Kläger nunmehr vor:
„1. Vertragsgegenstand: … Für den Fall einer Beendigung der Organstellung von Herrn J. als Vorstand wird das durch diesen Vertrag geregelte Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis weitergeführt, es sei denn, Herr J. legt sein Amt als Vorstand nieder.
17. Vertragsbeginn und Kündigungsfristen: Dieser Vertrag ist gültig ab Eintritt der unter Ziff. 22 beschriebenen aufschiebenden Bedingungen. Die ordentliche Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Die Gesellschaft verzichtet auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung für einen Zeitraum von 60 Monaten ab Gültigkeit dieses Vertrages. Sämtliche Kündigungen bedürfen der Schriftform.
22. Aufschiebende Bedingung: Die Wirksamkeit dieses Vertrages ist aufschiebend bedingt auf den Eintritt eines Gesellschafterwechsels bei der Gesellschaft. … Sollte die aufschiebende Bedingung nicht bis spätestens 31.12.2005 eingetreten sein, wird dieser Vertrag mit diesem Datum endgültig unwirksam.”
Gleiche Klauseln sind zeitgleich auch mit allen übrigen Vorstandsmitgliedern vereinbart worden.
Der Kläger ist auch nach dem 8. November 2006 weiter als Vorstandsmitglied tätig gewesen. Am 15. Februar 2007 übergab der dreiköpfige Aufsichtsrat der Beklagten dem Kläger ein Schreiben vom gleichen Tag (Kopie Bl. 13 f. d. A.). Danach wird die faktische Bestellung des Klägers zum Mitglied des Vorstands mit sofortiger Wirkung widerrufen und der unter dem 9. Dezember 2004 geschlossene Dienstvertrag mit sofortiger Wirkung beendet. Zu diesem Zeitpunkt erhielt der Kläger ein Jahresentgelt in Höhe von 184 000,00 EUR einschließlich Tantieme.
Am 7. März 2007 erhob der Kläger Klage gegen die Beklagte, vertreten durch die Mitglieder des Aufsichtsrats.
Der Kläger hat unter Hinweis auf verschiedene E-Mails behauptet, Herr Sp., der damalige Vorsitzende der f.de AG und jetzige Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten habe von den Konditionen des zweiten Anstellungsvertrages gewusst und sie gebilligt. Die f.de AG hätte auf ein funktionierendes Management zurückgreifen wollen. Daher habe man sich seine Tätigkeit sichern wollen, ohne den Aufsichtsrat hinsichtlich der Amtsdauer zu präjudizieren. Durch diesen zweiten Anstellungsvertrag sei kein unzulässiger Wiedereinstellung...