Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahme auf AVR
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Betrieb des Diakonischen Werks auf einen nichtkirchlichen Erwerber übertragen, sind aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf die AVR in ihrer jeweils gültigen Fassung auch deren spätere Änderungen und Ergänzungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich verbindlich.
2. Der Nachweis eines negativen Betriebsergebnisses im Vorjahr als Voraussetzung für den Wegfall der Verpflichtung zur Leistung der zweiten Hälfte einer Jahressonderzahlung kann auch nach dem in Anlage 14 Abs. 3 Satz 1 AVR DW EKD oder AK DWBO genannten Zeitpunkt geführt werden.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1-3; AVR AK DWBO Anlage 14
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 17.06.2011; Aktenzeichen 37 Ca 18434/10) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.06.2011 – 37 Ca 18434/10 – im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie die Beklagte zur Zahlung von mehr als 434,00 EUR brutto nebst Zinsen verurteilt worden ist, und die Klage insoweit abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreites haben der Kläger zu 76,6 % und die Beklagte zu 23,4 % zu tragen.
4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger trat am 01.08.1993 in ein Arbeitsverhältnis zum Verein zur Errichtung e. Krankenhäuser e.V. In § 2 seines „Dienstvertrages” (Ablichtung Bl. 9 und 10 GA) war geregelt:
„Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des D. Werkes der E. Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung. Sie sind im Auszug als Anlage beigefügt.”
Mit Wirkung zum 01.01.2009 ging das Arbeitsverhältnis zunächst im Wege des Betriebsübergangs auf die Rechtsvorgängerin der Beklagten und zuletzt aufgrund Verschmelzung auf diese über.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Zahlung von insgesamt 1.854,41 EUR brutto nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf ein Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 17.06.2010 – 18 Sa 330/10 – ausgeführt, die (damalige) Beklagte sei dem Kläger aufgrund eines Beschlusses der Arbeitsrechtlichen Kommission des D. Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische O. e.V. (DWBO) vom 01.07.2009 zu einer Einmalzahlung in Höhe von 434 EUR brutto verpflichtet. Ferner habe der Kläger Anspruch auf Zahlung der zweiten Hälfte der Jahressonderzahlung für 2009 in Höhe von 1.420,41 EUR brutto nach Anlage 14 AVR EKD. Die Beklagte habe mit dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2009 (Ablichtung Bl. 61-95 GA) nicht den Nachweis erbracht, dass bei voller Juni-Zahlung der anteiligen Bruttopersonalkosten der Jahressonderzahlung im Vorjahr ein negatives betriebliches Ergebnis vorläge. Dort sei zwar ein negatives „Ergebnis vor Verlustübernahme” von 724 TEUR genannt, nicht jedoch auch die Summe der regulären betrieblichen Juni-Zahlung.
Gegen dieses ihr am 24.08.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 23.09.2011 eingelegte und 24.10.2011 begründete Berufung der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Sie hält § 613a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB auf AVR für analog anwendbar, weil sich zwischen diesen und einem Tarifvertrag kaum ein Unterschied hinsichtlich der Arbeitsbedingungen aufzeigen lasse. Daraus ergebe sich, dass die AVR nach einem Betriebsübergang auf einen nichtkirchlichen Arbeitgeber nur noch statisch weiter gölten. Eine dynamische Weitergeltung sei auch im Hinblick auf die in der Einleitung der AVR ausgesprochenen Verpflichtung unzumutbar, „das Evangelium Jesu Christi in Wort und Tat zu bezeugen.”
Die Beklagte beziffert die Summe der zweiten Hälfte der Jahressonderzahlung 2009 mit 52.400 EUR. Hinsichtlich des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in diesem Jahr verweist sie auf zwei Schreiben des Wirtschaftsprüfers vom 08.07. und 30.09.2011 (Ablichtung Bl. 126 und 125 GA).
Die im Verhandlungstermin aufgrund übereinstimmender Erklärung an die Stelle ihrer Rechtsvorgängerin getretene Beklagte beantragt,
die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er tritt den Angriffen der Berufung im Einzelnen entgegen. Die beiden Schreiben des Wirtschaftsprüfers aus 2011 hält der Kläger für verspätet, weil ein Testat spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung mit der Gehaltszahlung für Juni 2010 hätte vorgelegt werden müssen. Außerdem sei in diesem Schreiben auf die Arbeitsvertragsrichtlinien des D. Werkes der E. Kirche in Deutschland Bezug genommen worden, während auf sein Arbeitsverhältnis diese Richtlinien in der Fassung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission Berlin-Brandenburg-schlesische O. Anwendung fänden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beklagte ist nach Verschmelzung ihrer Re...