Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Vergütung eines Sachbearbeiters in der Funknetzplanung der Deutschen Telekom AG. Zahlungsanspruch aufgrund eines Günstigkeitsvergleichs bei Regelung der maßgeblichen Leistungsgrößen in unterschiedlichen Tarifverträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Günstigkeitsvergleich zwischen zwei Tarifverträgen ist jeweils sachgruppenbezogen vorzunehmen; die zu vergleichenden Regelungen (des unmittelbar geltenden Haustarifvertrags sowie der arbeitsvertraglich durch Gleichstellungsabrede in Bezug genommenen Tarifverträge der Deutschen Telekom AG) müssen jeweils miteinander in einem sachlichen Zusammenhang stehen, wobei die sachlich einander entsprechenden und in einem inneren Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen miteinander zu vergleichen sind.
2. Arbeitszeit und Arbeitsentgelt stehen als aufeinander bezogene Leistungsgrößen in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang, auch wenn sie jeweils in unterschiedlichen Tarifverträgen (MTV und ERTV) geregelt sind; zur Herstellung einer übereinstimmenden Vergleichsgrundlage ist das jeweilige Monatsentgelt der dafür jeweils zu erbringenden Arbeitszeit nach beiden Tarifwerken im Wege der Berechnung des Stundensatzes gegenüberzustellen, womit sich die nach dem Arbeitsvertrag oder dem Tarifvertrag bestimmte Wertigkeit der geschuldeten Arbeitszeit aufgezeigt wird.
3. Arbeitsausfälle wegen Streik, Krankheit, Urlaub sowie sonstige Fehlzeiten sind für den Günstigkeitsvergleich nicht erheblich; hierfür ist vielmehr auf den Stundensatz abzustellen, den der Arbeitnehmer nach den arbeitsvertraglichen oder tariflichen Regelungen bei ex-ante-Betrachtung zu beanspruchen hat.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 3; BGB § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 27.08.2012; Aktenzeichen 18 Ca 4060/12) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.08.2012 - 18 Ca 4060/12 - teilweise abgeändert.
1. Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG mit Tarifstand 24. Juni 2007 kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden, soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Deutschen Telekom Technik GmbH.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 121,68 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 287,70 € brutto vom 05.03.2012 bis zum 16.05.2012 und auf 121,68 € brutto ab dem 17.05.2012 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Gerichtskosten der ersten Instanz haben bei einem Gebührenstreitwert von 9.733,35 € der Kläger 57,7 % und die Beklagte 42,3 % und von den Kosten der zweiten Instanz haben bei einem Gebührenstreitwert von 10.315,86 € der Kläger 60 % und die Beklagte 40 % zu tragen.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Anwendbarkeit bestimmter Tarifverträge in ihrem Arbeitsverhältnis und daraus folgende Ansprüche.
Der Kläger ist seit 01.12.1976 Mitglied der Gewerkschaft ver.di bzw. der Deutschen Postgewerkschaft als deren Rechtsvorgängerin. Er ist seit 01.10.1976 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt, zuletzt als Sachbearbeiter in der Funknetzplanung.
In seinem Arbeitsvertrag vom 28.12.1979 (Bl. 23 d. A.) ist vereinbart:
"Die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) und der sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost gelten in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart."
Zum 01.01.1995 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß § 21 Abs. 1 des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (PostPersRG) auf die Deutsche Telekom AG (DT AG) übergeleitet, die mit ver.di u. a. einen Manteltarifvertrag (künftig: MTV DT AG, in der Fassung vom 01.03.2004 Bl. 234 bis 253 d. A.) und einen Entgeltrahmentarifvertrag (künftig: ERTV DT AG, in der Fassung vom 07.06.2006 Bl. 635 bis 656 d. A.) schloss. Eine weitgehende Ablösung der vormals mit der Deutschen Bundespost geschlossenen Tarifverträge erfolgte anlässlich der Einführung des "Neuen Bewertungs- und Bezahlungssystems - NBBS" zum 01.07.2001 in einem gesonderten Übergangstarifvertrag, der ebenso wie die anderen mit der DT AG abgeschlossenen Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis des Klägers angewendet wurde.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging sodann am 25.06.2007 als Folge eines Betriebsüberganges auf die Beklagte, eine Servicegesellschaft der DT AG, über, die damals noch als Deutsche T. N. GmbH firmierte. Der Kläger wurde darüber mit Schreiben vom 17.07.2007 (Bl. 496 bis 504 d. A.) unterrichtet. Ebenfalls am 25.06.2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di einen Manteltarifvertrag (künftig: MTV DTNP (Bl. 219 bis 233 d. A.) und einen Entgeltrahmentarifvertrag (künftig: ERTV DTNP, Bl. 120 bis 136 d. A.), die von den Tarifverträgen der DT AG u. a. bei der Arbeitszeit und dem E...