Entscheidungsstichwort (Thema)
ordentliche Kündigung eines Wachpolizisten wegen Straftat
Leitsatz (amtlich)
Ein angestellter Polizist im Wachschutz, der hoheitlich tätig ist, verletzt seine vertragliche (Neben-)pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB schwerwiegend, wenn er unerlaubt Partydrogen herstellt und deshalb zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung verurteilt wird. Die ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist regelmäßig gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG.
Normenkette
KSchG § 1; BAT § 8; TVöD § 41
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 29.03.2011; Aktenzeichen 50 Ca 13388/10) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.03.2011 – 50 Ca 13388/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine fristgemäße Verdachtskündigung des beklagten Landes, das dem Kläger vorwirft, es bestehe der begründete Verdacht, zwischen Februar 2008 und dem 13. Januar 2010 Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt hergestellt zu haben. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Berlin vom 30.05.2011 ist der Kläger inzwischen wegen des unerlaubten Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten mit Bewährung verurteilt worden. Auf das strafgerichtliche Urteil, das zu den Akten gelangt ist (vgl. Bl. 252 bis 260 d. A.) und das den Parteien bekannt ist, wird Bezug genommen.
Der am …1969 geborene ledige Kläger war seit dem 19.10.2001 beim beklagten Land als angestellter Wachpolizist im Objektschutz gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 2.500 EUR und einer 38,5-Stunden-Woche tätig. Er versah seinen Dienst in Polizeiuniform und mit Dienstwaffe; er war gem. § 3 der Verordnung über die Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben durch die Dienstkräfte der Polizei mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet und hoheitlich tätig.
In Ausführung eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts N. wurde seine Wohnung am 13.01.2010 polizeilich durchsucht. Dabei wurden verschiedene Flaschen mit Gamma-Butyrolakton, im Folgenden GBL, Utensilien zur Herstellung von Gamma-Hydroxybuttersäure, im Folgenden GHB, Natriumhydroxid, Indikatorpapier und eine Anleitung zur Herstellung von GHB gefunden. Entsprechend dem Gutachten des Landeskriminalamtes, das in der strafgerichtlichen Verhandlung verlesen wurde und das dem strafgerichtlichen Urteil zugrunde liegt, hat das Landgericht B. in dem strafgerichtlichen Urteil festgestellt, dass der Kläger in nicht geringer Menge unerlaubt Betäubungsmittel hergestellt hat. Der Kläger hat eingeräumt, diese Betäubungsmittel, die umgangssprachlich auch also KO-Tropfen oder als Partydroge „Liquid Ecstasy” bezeichnet werden, ausschließlich zum Eigenverbrauch hergestellt zu haben.
Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 19.10.2001 ist der BAT unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen sowie die mit dem Land Berlin bzw. dem Arbeitgeberverband, dem das Land Berlin angehört, bisher vereinbarten, noch geltenden und künftig abzuschließenden Tarifverträge über Arbeitsbedingungen der Angestellten, insbesondere Vergütungstarifverträge, … in Bezug genommen (vgl. Bl. 331 und 332 d. A.); im Übrigen ist der Kläger nicht unmittelbar tarifgebunden.
Nach Anhörung des Klägers kündigte das beklagte Land mit Schreiben vom 13.08.2010, dem Kläger am 19.08.2010 zugegangen, das Arbeitsverhältnis unter Zustimmung der angehörten Frauenvertreterin und des beteiligten Personalrates wegen des Verdachts einer Straftat zum 31.12.2010 (vgl. Bl. 4-6 d. A.). Zuvor war dem Land die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 22.06.2010 am 30.06.2010 zugegangen.
Mit Urteil vom 29.03.2011 hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen. Wegen der Urteilsgründe sowie des weiteren erstinstanzlichen Tatbestandes wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen (vgl. Bl. 184 bis 196 d. A.).
Gegen das dem Kläger am 19.04.2011 zugestellt Urteil hat er am 19.05.2011 Berufung eingelegt und diese am 11.08.2011 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.08.2011 gegenüber dem Landesarbeitsgericht begründet.
Der Kläger wendet sich vor allem aus Rechtsgründen gegen die angefochtene Entscheidung und meint, die streitgegenständliche Kündigung sei schon deswegen rechtsunwirksam, da die vom Kläger begangene Straftat außerdienstlich erfolgte und einen Bezug zum Arbeitsverhältnis nicht aufweise. Der Kläger unterliege nicht mehr der inzwischen abgelösten Vorschrift des § 8 BAT, sondern nur noch den geringeren Verhaltensanforderungen in § 41 TVöD. Dies ergebe sich aus einer erforderlichen ergänzenden Vertragsauslegung.
Er sei erst seit dem 20.11.2009 gewillt und in der Lage gewesen, die zur Herstellung von GHB notwendige Synthese durchzuführen. Er habe nur ein einziges Mal und keine größere...