Entscheidungsstichwort (Thema)
Streit über den rechtzeitigen Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs. Eingang bei Gericht. Angaben von Leerungszeiten auf einem Gerichtsbriefkasten
Leitsatz (amtlich)
1. Ist zwischen den Parteien streitig, ob ein gerichtlicher Vergleich den Rechtsstreit beendet hat, so ist der ursprüngliche Rechtsstreit fortzuführen.
2. Für den Antrag festzustellen, dass ein Vergleich den Rechtsstreit erledigt hat, besteht ein Feststellungsinteresse auch dann, wenn der ursprüngliche Rechtsstreit sich unstreitig auch wegen Zeitablaufs erledigt hat.
3. Ein Vergleichswiderruf, der bis 12.30 Uhr bei Gericht einzugehen hat, erfolgt auch dann rechtzeitig, wenn er gegen 12.05 Uhr in den Gerichtsbriefkasten gelangt, obwohl auf diesem als Leerungszeiten 13.00 Uhr und 14.30 Uhr angegeben sind.
Normenkette
ZPO § 256; BGB § 130
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 14.05.2009; Aktenzeichen 63 Ga 7896/09) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers, mit der er die Feststellung begehrt, dass sich das einstweilige Vergütungsverfahren durch den Vergleich vom 13. Juli 2009 erledigt hat, wird zurückgewiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Beschluss vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Nachdem der Kläger im hiesigen einstweiligen Verfügungsverfahren ursprünglich nach Ausspruch einer Kündigung durch die Beklagte die vorläufige Weiterbeschäftigung bis längstens zum 30. Juni 2009 begehrte, streiten die Parteien nunmehr nur noch darüber, ob dieser Rechtsstreit durch Vergleich beendet wurde.
Das Arbeitsgericht hatte mit Urteil vom 14. Mai 2009 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Dieses Urteil ist dem Kläger am 22. Mai 2009 zugestellt worden. Am 18. Juni 2009 ging die Berufung nebst Begründung beim Landesarbeitsgericht ein.
Im Berufungstermin vom 13. Juli 2009 schlossen die Parteien einen widerruflichen Vergleich, dessen Ziffer 7. lautete:
„Die Beklagtenvertreterin behält sich den Widerruf des Vergleichs, eingehend bei Gericht bis zum 14.07.2009, 12.30 Uhr, vor.”
Am 14. Juli 2009 warf die Beklagtenvertreterin den Widerruf des Vergleichs in den Gerichtsbriefkasten ein. Auf dem Briefkasten ist vermerkt, dass während der Gerichtsöffnungszeiten Briefe auf der Poststelle abgegeben werden sollen. Eine Leerung des Briefkastens erfolge um 13.00 Uhr und 14.30 Uhr. Tatsächlich leerte die Poststelle des Gerichts diesen Briefkasten erst nach 14.00 Uhr und fand dann den Vergleichswiderruf vor.
Nachdem zwischen den Parteien streitig wurde, ob der Widerruf des Vergleichs rechtzeitig erfolgte, hat die Kammer nach erneuter Beratung die mündliche Verhandlung wieder eröffnet.
Der Kläger ist der Ansicht, der Vergleichswiderruf hätte bis 12.30 Uhr in der Geschäftsstelle der hiesigen Kammer vorliegen müssen.
Der Kläger beantragt nunmehr,
festzustellen, dass das Verfügungsverfahren sich durch den Vergleich vom 13. Juli 2009 erledigt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Verfügungsklägers (in Gestalt des neuen Feststellungsantrages) zurückzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die Beklagtenvertreterin habe am 14. Juli 2009 gegen 12.05 Uhr den Vergleichswiderruf in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen.
Über diese Behauptung der Beklagten ist Beweis erhoben worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26. August 2009 verwiesen.
Beide Parteien haben den Rechtsstreit hilfsweise (wegen Zeitablaufs) für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat mit dem zuletzt gestellten Antrag keinen Erfolg.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Der zuletzt gestellte Antrag ist ebenfalls zulässig.
Besteht zwischen den Parteien Streit, ob ein zwischen ihnen geschlossener Prozessvergleich den Rechtsstreit erledigt hat, so ist grundsätzlich der ursprüngliche Rechtsstreit fortzusetzen (BAG vom 16.01.2003 – 2 AZR 316/01 – AP Nr. 2 zu § 57 ArbGG 1979; Baumbach Anh. § 307 ZPO Rn. 37 ff.). Der Antrag ist nunmehr auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits durch den Vergleich zu richten. Die Antragsumstellung ist zulässig, da sie sachdienlich ist (LAG Mecklenburg-Vorpommern 09.08.2005 – 5 Sa 363/04 – juris Rn. 26).
Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse entfällt vorliegend auch nicht deswegen, weil beide Parteien hilfsweise jedenfalls wegen des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben. Damit steht zwar auch fest, dass der ursprüngliche Rechtsstreit nicht mehr fortbesteht. Das Feststellungsinteresse ist trotzdem gegeben. Nur über die hiesige Feststellungsklage kann geklärt werden, ob die Rechtsbeziehung der Parteien künftig durch den streitigen Vergleich geregelt werden.
III.
Die Berufung ist nicht begründet.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass der Widerruf des Vergleichs gegen 12.05 Uhr in den Briefkasten des Gerichts gelangt ist. Damit erfolgte der Widerruf rechtzeitig, so dass der Feststellungsantrag zurückzuweisen i...