Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz. Gleichbehandlung bei der Gewährung übertariflicher Zulagen für Lehrer im Landesdienst. Unbegründete Feststellungsklage eines Lehrers für Fachpraxis zum Anspruch auf bestimmte übertarifliche Zulage bei sachgerechter Gruppenbildung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem Arbeitgeber eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Beschäftigter gegenüber anderen in vergleichbarer Lage ebenso wie die sachfremde Differenzierung zwischen Beschäftigten einer bestimmten Ordnung; die willkürliche Schlechterstellung einzelner Beschäftigter innerhalb einer Gruppe ist demnach ebenso unwirksam wie eine sachfremde Gruppenbildung.
2. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt und die Regelung daher bei einer am Gleichheitsgedanken orientierten Betrachtungsweise als willkürlich erscheint.
3. Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter Vorrang hat; das Gebot der Gleichbehandlung greift im Bereich der Vergütung jedoch dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen auf Grund einer generellen Regelung gewährt, insbesondere wenn er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt.
4. Von einer generellen Regelung darf der Arbeitgeber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen; dazu ist zunächst der Zweck der in Betracht kommenden Maßnahme zu ermitteln und danach zu beurteilen, ob der von der begünstigenden Maßnahme ausgeschlossene Personenkreis berechtigterweise außerhalb der allgemeinen Zweckrichtung steht.
5. Hat das Land Berlin die Entscheidung getroffen, lediglich ab dem 01.08.2008 neu angestellten und nur solchen Lehrkräften, die die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für eine Verbeamtung im Land Berlin erfüllen, eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der Erfahrungsstufe 1 und der Erfahrungsstufe 5 der jeweiligen Entgeltgruppe zu gewähren, und hat das Land den entsprechenden Lehrkräften jeweils Einzelvereinbarungen angeboten, die eine Kündigungsmöglichkeit und eine Anrechnung von tatsächlich erfolgenden Stufenaufstiegen vorsieht, ist eine derartige Gruppenbildung durch den Zweck der Leistung gerechtfertigt, wenn damit ein finanzieller Anreiz geschaffen werden soll, um bei einem erwarteten arbeitsmarktbedingten Arbeitskräftemangel oder einem prognostizierten erhöhtem Bedarf an Lehrkräften die Konkurrenzsituation zu anderen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern zumindest auszugleichen und über genügend gut qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber zu verfügen.
6. Soweit Lehrer für Fachpraxis nicht grundsächlich nach einer Hochschulausbildung und anschließenden Vorbereitungsdienst eingestellt werden und in der Regel ein längeres oder kürzeres Berufsleben in dem zu unterrichtenden Fachpraxisbereich durchlaufen haben, kann das Land als Arbeitgeber davon ausgehen, dass bei dieser Lehrkräftegruppe eine im wesentlichen einheitliche Konkurrenzsituation zu anderen Bundesländern nicht besteht und sich vorbehalten, im Rahmen von Einzelfallentscheidungen gemäß § 16 TV-L gegebenenfalls Zulagen zu zahlen, sowie wegen der insgesamt geringen Anzahl von benötigten Fachlehrkräften von einer unterschiedlichen Einstellungssituation bei Fachlehrern ausgehen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BGB §§ 242, 611 Abs. 1; TV-L § 16; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 02.11.2011; Aktenzeichen 56 Ca 8733/11) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 02.11.2011 - 56 Ca 8733/11- wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer übertariflichen Zulage.
Der Kläger steht als Lehrer für Fachpraxis seit dem seit dem 01.04.2009 in einem Arbeitsverhältnis bei dem Land Berlin.
Der am ....1957 geborene Kläger schloss seine Schulausbildung im Jahr 1974 an der polytechnischen Oberschule in Berlin-Biesdorf mit der 10. Klasse ab. Nach Abschluss einer Berufsausbildung als Zentralheizungs- und Lüftungsbauerhandwerk war der Kläger in der DDR als Heizungsmonteur in verschiedenen Betrieben tätig. Am 28.10.1983 siedelte der Kläger in das damalige West-Berlin über und besuchte 1984/1985 die Meisterschule der Handwerkskammer Berlin. Am 18. Juni 1985 bestand der Kläger die Meisterprüfung. Nach selbständiger Tätigkeit in Bereich des Zentralheizungs- und Lüftungsbauerhandwerks war der Kläger vom 01.02.2001 bis 31.03.2009 als Fachausbilder bzw. Projektbetreuer tätig. Am 01.04.2009 wurde der Kläger als Lehrer für Fachpraxis in einem Arbeitsverhältnis von dem beklagten Land eingestellt. Er unterrichtet an der K.-Schule in Berlin-Spandau. Der Kläger wurde bei seiner Eins...