Entscheidungsstichwort (Thema)
Diebstahl von Kundengeldern aus einem unbeaufsichtigt abgestellten Lastkraftwagen. Beteiligung des Arbeitnehmer an grob fahrlässig herbeigeführtem Schaden
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist ein Berufskraftfahrer von der Arbeitgeberin mit dem Inkasso bei Kunden beauftragt und hat der Arbeitnehmer diesem Auftrag entsprechend Geld für die Arbeitgeberin vereinnahmt, ergibt sich daraus die Verpflichtung, das vereinnahmte Geld sorgfältig zu verwahren und an die Arbeitgeberin herauszugeben.
2. Der Arbeitnehmer verletzt seine Inkassopflichten, wenn er eine Geldbörse mit 19.300,89 Euro in einem unabgeschlossenen Ablagefach seines Lastkraftwagens deponiert und diesen für eine halbe Stunde unbeaufsichtigt auf der Straße einer Großstadt abstellt und darüber hinaus noch so, dass er das Fahrzeug nicht vollständig im Blick haben kann. Ungeachtet einer konkreten Weisung der Arbeitgeberin hat der Arbeitnehmer einen solch hohen Betrag entweder mitzunehmen oder aber das Fahrzeug nicht unbeobachtet zurückzulassen.
3. Die Aufbewahrung von Wertgegenständen in einem auf der Straße abgestellten und dann unbeaufsichtigt zurückgelassenen Fahrzeug begründet den Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens.
4. Im Hinblick auf zahlreiche Einbruchsdiebstähle in Kraftfahrzeuge muss es als Allgemeinwissen insbesondere auch von Berufskraftfahrern angesehen werden, dass Wertgegenstände, Geld oder Bankkarten gerade in Großstädten und deren Umland wie Berlin nicht unbeaufsichtigt in einem Fahrzeug zurückgelassen werden dürfen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer das Geld in dem Ablagefach so deponiert, dass es von außen nicht sichtbar ist, da dadurch zum einen das Risiko eines Einbruchs nicht ausgeschlossen wird, weil ein Täter gerade die Ablagefächer untersuchen wird, und zum anderen potentielle Täter zum Einbruch geradezu eingeladen werden, wenn in dem Fahrzeug auch noch zwei Mobiltelefone offen herumliegen, davon zumindest ein höherwertiges und leichtverkäufliches i-phone neueren Datums.
5. Im Hinblick auf einen durch grob fahrlässiges Verhalten des Arbeitnehmers herbeigeführten Schaden in Höhe von 19.300,89 Euro kann es im Einzelfall nach Abwägung der Gesamtumstände angemessen erscheinen, den Arbeitnehmer mit nicht ganz drei Bruttomonatsverdiensten in Höhe von insgesamt 6000 Euro an dem Ausgleich des Schadens zu beteiligen.
Normenkette
BGB §§ 667, 855, 280 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 03.05.2016; Aktenzeichen 7 Ca 1845/15) |
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 03.05.2016; Aktenzeichen WK 7 Ca 339/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 03. Mai 2016 - 7 Ca 1845/15, WK 7 Ca 339/16 - teilweise abgeändert und
1. die Klage im Umfang von 406 Euro abgewiesen,
2. der Kläger verurteilt, an die Beklagte
5.594,00 EUR (fünftausendfünfhundertvierundneunzig)
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. März 2016 zu zahlen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 30 Prozent, die Beklagte 70 Prozent.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Klage auf Arbeitsentgelt für September und Oktober 2015 um Schadensersatzansprüche der Beklagten, nachdem auf einer Tour des Klägers von diesem im Auftrag der Beklagten vereinnahmte Gelder i.H.v. 19.300,89 € während eines Abladevorgangs aus dem unabgeschlossenem Ablagefach des geparkten LKW entwendet worden waren. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, an dem Einbruch in den LKW, bei dem auch das Mobiltelefon des Klägers und die im LKW installierte Bordkamera abhandengekommen waren, beteiligt gewesen zu sein. Die Beklagte hat aus diesem Grund die Aufrechnung gegen abgerechnetes Arbeitsentgelt des Klägers für September 2015 i.H.v. 436,56 € sowie Oktober 2015 i.H.v. 714,70 € erklärt und den darüber hinausgehenden Schaden zum Gegenstand ihrer Widerklage gemacht.
Das Arbeitsgericht Potsdam hat nach Erlass eines Anerkenntnis-Teilurteils mit Urteil vom 03.05.2016 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 436,56 € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 1.158,56 € für den Zeitraum 01.10.2015 bis 03.05.2016 sowie Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 436,56 € ab 04.05.2016 zu zahlen, die Beklagte weiterhin verurteilt, an den Kläger 714,70 € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.11.2015 zu zahlen, die Widerklage insgesamt abgewiesen und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, ein etwaiger Schadensersatzanspruch stehe der Beklagten schon deshalb nicht zu, weil sie einen solchen nicht innerhalb der vertraglichen Ausschlussfristen geltend gemacht habe. Die Ausschlussfrist erfasse die vorliegende Schadensersatzforderung der Beklagten, da das Verhalten des Klägers, den vereinnahmten Betrag während eines weiteren Kundenbesuchs in einem ...