Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungs- und Beweislast der Arbeitgeberin für eine Teilzeitbeschäftigung im Rahmen der Schwellenwerte zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes. Unwirksame verhaltensbedingte Kündigung bei unzureichendem Nachweis der Voraussetzungen eines Kleinbetriebs
Leitsatz (amtlich)
Die Darlegungs- und Beweislast für die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG, dass eine Arbeitnehmerin nicht mehr als 20 Stunden regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit erbringt, liegt beim Arbeitgeber.
Normenkette
KSchG § 23 Abs. 1 S. 2; ZPO § 286 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 23.04.2015; Aktenzeichen 7 Ca 300/14) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 23. April 2015 - 7 Ca 300/14 wird dieses teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die hilfsweise ordentlichen Kündigungen vom 6. Februar 2014, 21. Februar 2014 und 4. März 2014 aufgelöst worden ist und über den 30. September 2014 hinaus ungekündigt fortbesteht.
II. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 2% und die Beklagte zu 98%.
IV. Der Wert dieses Schlussurteils wird auf 27.185,00 EUR festgesetzt.
V. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Zusammenhang mit drei unwirksamen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen des Arbeitsverhältnisses, deren Unwirksamkeit bereits durch ein Teilurteil des Landesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2015 festgestellt wurde noch um die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes sowie einen hilfsweisen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger ist 44 Jahre alt (.... 1971), verheiratet und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er wohnt in Potsdam. Er war Gründungsgesellschafter der Beklagten und steht seit dem 1. Juli 2011 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Vertriebsleiter. Dieses Arbeitsverhältnis führte er von Potsdam aus. Das Bruttomonatseinkommen des Klägers betrug 10.000,-- EUR zzgl. einer variablen Vergütung. Der geldwerte Vorteil einer privaten PKW-Nutzung betrug monatlich 874,-- EUR. In dem für das Arbeitsverhältnis insoweit maßgeblichen Arbeitsvertrag vom 24.5./28.5.2011 (Bl. 19-23 d.A.) ist nach Ablauf der Probezeit eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartal vereinbart.
Nachdem der Kläger als Gesellschafter einer Änderung des Gesellschaftsvertrages nicht zugestimmt hatte, beschloss die Gesellschafterversammlung am 9. Oktober 2014, die Gesellschaftsanteile des Klägers einzuziehen. Dazu ist derzeit ein Rechtsstreit vor dem OLG München anhängig.
Die Beklagte ist als Fondsgesellschaft ein konzernunabhängiger Anbieter für Banken, Versicherungen, Pensionseinrichtungen und sonstige Kapitalanlagestellen. Sie betreibt Büros in Hamburg und München. Ob ist sich bei diesen Büros jeweils um selbständige Betriebe handelt, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien
- unter dem 6.2.2014 außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum 30.9.2014,
- unter dem 21.2.2014 außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum 30.9.2014,
- unter dem 4.3.2014 außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum 30.9.2014.
Vollzeitbeschäftigt waren im Februar/März 2014 neben dem Kläger unstreitig 8 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Bl. 274 d.A.) sowie Herr S. als geringfügig Beschäftigter mit 9 Wochenstunden. Im Hamburger Büro wird darüber hinaus Frau N. B. beschäftigt. Streitig wurde im Laufe des Verfahrens aber, ob es die Betriebsstätten in Hamburg und München jeweils eigene Betriebe bilden.
Der private europäische Fondsverband INREV (E. A. for Investors in Non-Listed Real Estate Vehicles) hat einen standardisierten Fragebogen erarbeitet, der die im Rahmen einer Fondsprüfung relevanten Aspekte enthält. Die Beklagte ist nicht Mitglied in diesem Verband, verwendet aber den Fragebogen zumindest zum im Juli 2013 aufgelegten m. campusfonds DI (Bl. 1087-1198 d.A.). Die Beklagte meint, dass es sich um eine Unterlage mit werbendem Charakter handele. Alleiniger Zweck sei es, potentielle Investoren zu veranlassen, Gelder zu investieren. Die Verwendung, die Konzeption und der Inhalt hätten allein im Verantwortungsbereich des Klägers gelegen. Unstreitig haben aber die beiden Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger bei der Erstellung und Aktualisierung des Fragebogens zugearbeitet. Am 19. November 2013 wurde der Fragebogen von einem der Geschäftsführer freigegeben. Im Rahmen dieses INREV-Fragebogens ist auf Seite 24 ausgeführt:
"Die m. KAG verfügt aktuell über 10 Mitarbeiter und 2 Geschäftsführer. Diese Allokation spiegelt die optimale Bewältigung des derzeitigen Geschäftsvolumens wider. Mit fortschreitendem Wachstum wird sich die Personalstruktur parallel und organisch entwickeln. Die personelle Ausstattung des Fondsmanagements wir...